Peking von Reformern gesäubert

Parteichef Zhao Ziyang offenbar unter Hausarrest / Wird eine neue „Vierer-Bande“ konstruiert?  ■  Von Jürgen Kremb

Der chinesische Parteichef Zhao Ziyang ist gestürzt und steht offenbar unter Hausarrest. In Partei und Regierung sind groß angelegte Säuberungswellen angelaufen. Gerüchte besagen, daß in Peking schon schwarze Listen kursieren, auf denen Intellektuelle und reformfreudige Politiker zur Verhaftung freigegeben sind.

Am Wochenende bestand in der chinesischen Hauptstadt kein Zweifel mehr daran, daß die konservativen Hardliner um Ministerpräsident Li Peng endgültig die Oberhand gewonnen haben. Der Pekinger Frühling 1989 für Demokratie und Freiheit scheint damit vorerst beendet.

Erstmals wurde gleichzeitig in der Öffentlichkeit zugegeben, daß es in der Führung von Staat und Partei einen Machtkampf gibt. Der ehemalige Staatspräsident Li Xiannian erklärte in einer in Rundfunk und Fernsehen verlesenen Rede, daß „gewisse Leute in der Führung der Partei“ in China Verwirrung geschaffen hätte. Li erklärte, es sei notwendig gegen eine „kleine Bande Krimineller vorzugehen“, die versuche, die Herrschaft der Kommunistischen Partei abzuschaffen. Vorwürfe, die eindeutig gegen den als liberal eingestuften Parteichef und seine Reformfraktion gerichtet sind. Wie bekannt wurde, solle Zhao sogar wegen Verschwörung angeklagt werden. Ein Diplomat sprach von einer „neuen Vierer-Bande“. Dazu sollen neben Zhao auch das Politbüromitglied Hu Qili, der stellvertretende Ministerpräsident Tian Jiyun und Verteidigungsminister Qin Jiwei gehören. Der Sturz der Reformer muß vom ZK der KPCh noch bestätigt werden.

Den Ausschlag zum Sturz der Liberalen in der KP hat offenbar der Vorsitzende des Volkskongresses, Wan Li, gegeben. Nachdem die Studenten noch letzte Woche gehofft hatten, Wan werde das chinesische Parlament einberufen und zum Sturz Li Pengs beitragen, war er am Samstag ins Lager der Hardliner übergewechselt. Tagesthema Seite 3