: Ernsthaftig-provokativ
■ S T A N D B I L D
(Miko-Aus der Gosse zu den Sternen von Frank Ripploh. ARD, Mo 23.20 Uhr) Wenn SIE der platinblonde Boss ist und ER ihr handzahm&mundgerecht teure Naturköstlichkeiten aus dem Bioladen zu reichen hat und SIE dabei meckert, wenn ER bi ist und sein Freund Second-Hand-Shop-Besitzer ihm einen Job im Strip-Lokal vermittelt, wenn die Anwältin von nebenan in Mieterfragen engagiert ist, das Waldsterben beklagt und nebenbei noch nymphoman ist, wenn der kleine Sparkassenhengst sich angesichts wackelnder Arschbacken doch noch zur Kreditvergabe durchringt, dann befinden wir uns mitten in einer deutschen Filmkomödie über die karriereverhindernden Versuche einer Rocksängerin, ernsthaft -provokative Rockmusik mit deutschen Texten zu machen. Rundfahrt durchs Kiez-Biotop, Szene-Sprachkurs, garniert mit Weltschmerz aus Global 2000, Gegenlicht in der Kneipe, stillenden Mutterbrüsten auf dem Sozialamt und ein bisserl Frauensolidarität. Hier können wir uns, Dörrie sei Dank, gar nicht mehr verlaufen, und trotzdem haut Frank Ripploh uns gnadenlos jeden Zaunpfahl um die Ohren. All diese ernsthafte Provokation wäre ja noch zu retten gewesen, mit guten Schauspielern, witzigen Dialogen und Kameraeinstellungen. Doch Fehlanzeige. Die Schauspieler chargieren oder sagen gleich ihre Texte bloß auf. Die Dialoge sind lang und aus Papier. Wir werden mit Totalen und Halbtotalen gequält und zwischendurch mit viel postkartigem Berlin abgefüllt. Dazu noch die aufdringliche uraltneudeutsche Filmmusik von Miko, die nur einmal kurz von einigen Takten Gitte abgelöst wird. Erholsam.
Nach den vielen Flops bei den Musikbusineß-Haien, einem blaßen Eifersuchtsdrama und ganz viel pathetisch vorgebrachter, engagierter Ehrlichkeit, kommt dann die edle Spenderin, produziert Mikos neue Platte und es gibt ein Happy-End. Im richtigen Leben der Miko blieb das bisher aus. Da hat auch dieser Film nicht viel geholfen, mit dem Ripploh Mikos Karriere anschieben wollten. Er hätte lieber ein Musikvideo drehen sollen.
kotte
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen