CDU: Kein Platz für Kandidatinnen

■ CDU-Fraktionsmänner ließen einzige Frau durchfallen / Neuer Chef Kudella setzte Satzung der Fraktion außer Kraft

Kaum eine halbe Stunde war der neue CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Kudella am Dienstag abend frischgewählt im Amt, da bewies er schon, daß die CDU-Parlamentarier auch unter seiner Regie beim langerprobten Stil der Kungelei und der Hiebe unter der Gürtellinie bleiben wollen. Bei der Wahl der fünf Beisitzer im Fraktionsvorstand fiel ausgerechnet die einzige weibliche Kandidatin, Roswitha Erlenwein, mit acht von 23 Stimmen durch. Damit hatte sie zwar nur eine Stimme weniger als die gerade noch gewählten männlichen Abgeordneten Günter Niederbremer und Peter-Michael Pawlik bekommen, doch die Panne war perfekt.

Betroffen blickten da die Fraktions-Männer zu Boden, die ihren Koleginnen in der geheimen Abstimmung gerade erst gezeigt hat

ten, wer Herr im CDU-Haus ist. Eilfertig boten erst Bernt Schulte, dann auch Günter Niederbremer ihren Verzicht auf den gerade per Wahl erworbenen Beisitzer-Posten zugunsten der durchgefallenen Roswitha Erlenwein an.

Doch dann bewies der neue Chef Kudella erste Tatkraft. „Hier tritt überhaupt niemand zurück“, rief er und präsentierte eine elegantere Lösung. Denn mit einem reinen Männer-Vorstand wollte er sich am Tag darauf denn doch nicht vor die Presse wagen. Also erweiterte man kurzerhand den Fraktionsvorstand um einen Platz - und Roswitha Erlenwein war wieder drin. Weil eine solche Änderung nach der Wahl nicht gerade demokratischen Gepflogenheiten entspricht, wurden die Fraktionsmitglieder von Kudella kurzerhand aufs Stillschweigen

verpflichtet.

„Ich beherrsche das Management einer Fraktion“, lobte sich Kudella unterdessen am Mittwoch morgen vor der Presse - ohne allerdings den ersten konkreten Beweis seiner Fähigkeiten vom Vorabend auszuplaudern. Dafür drohte er den MitarbeiterInnen seiner Fraktion gleich „erhebliche Änderungen im Apparat“ an. „Effektiver“ soll künftig in der CDU-Zentrale Am Wall gearbeitet werden. „Überall, wo was los ist, muß auch die CDU präsent sein“, schrieb Kudella seinen Mitarbeitern hinter die Ohren, auch von „Kommunisten, Grünen oder sonstwem“ sollen sie sich dabei nicht abhalten lassen. Die Verweigerung der CDU-Unterschrift für die Parteien -„Erklärung gegen Neofaschismus und Ausländerfeindlichkeit“ will

Kudella jedoch nicht aufheben. Schließlich arbeiteten in der Mitunterzeichner-Organisation der Verfolgten des Naziregimes (VVN) auch Kommunisten mit.

„Mit 25 Abgeordneten sind wir noch ein wichtiger Faktor in der Bremer Politik“ versicherte vor der Presse der neue Fraktionsvorsitzende, sieht aber auch die Gefahr, in eine „gewisse Bedeutungslosigkeit“ zu fallen. Deshalb soll die Fraktion sich jetzt auch stärker gegen Parteichef Neumann profilieren. „Wir sind keine intimen Freunde, aber trinken schon mal ein Bier miteinander“, charakterisierte Kudella sein Verhältnis zu Neumann.

Knapp unter 20 Prozent wird die CDU in der jüngsten Meinungsumfrage gesehen. Käme es in der Europa-Wahl tatsächlich zu einem solchen Ergebnis, „würde das die Moral der Truppe nicht gerade stärken“, weiß Hauptfeldwebel a.D., Peter Kudella.

Doch tatsächlich scheint die Moral der CDU-Fraktionäre schon so nah an Null zu liegen, daß an einen weiteren Verfall kaum noch zu denken ist. So sieht es jedenfalls die abgeblitzte Beisitzerin Roswitha Erlenwein. „Außerordentlich enttäuschend“ findet sie, daß es nur für eine ein

zige Frau im jetzt sogar neunköpfigen Fraktionsvorstand gereicht hat. Schließlich hatten Bundes-und Landespartei schon vor zwei Jahren beschlossen, daß die Parteigremien zumindest entsprechend dem Anteil weiblicher Mitglieder mit Frauen zu besetzen seien - das wären über 35 %.

„Ich bin kurz vor der Schwelle zu sagen: Soll der Männerhaufen sich doch blamieren und im eigenen Saft schmoren“, empört sich Erlenwein über ihre Kollegen. Angesichts der männlichen Übermacht in der Fraktion (21 von 25 Sitzen) sei es ein „Akt der Klugheit“ gewesen, daß die vier Fraktions-Frauen nur eine einzige Kandidatin ins Vorstands-Rennen geschickt hatten.

„Ich weiß schon genau, was ich will“, versicherte unterdessen der neue Vorsitzende Peter Kudella vor der Presse. Zwar sagte er nicht, was er denn so dringend will. Aber als Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl hatte er sich schon 1987 vorgeschlagen. Eine Wiederholung 1991 „schließe ich nicht aus“, bestätigte er den naheliegenden Verdacht. Konkurrenz für den im CDU-Grabenkrieg bewährten Feldwebel ist sowieso nicht in Sicht.

Dirk Asendorpf