„Evolution II“ hat Vorrang

■ Sonderausstellungen im Übersee-Museum nur noch mit Drittmitteln

1996 feiert das Bremer Überseemuseum sein hundertstes Jubiläum. Allerspätestens dann muß all das fertig sein, was auch noch im nächsten Jahrhundert als „Dauerausstellung“ Bestand haben soll: „Evolution“ und „Unterweser“, „Amerika“ und „Afrika“ - plus „Aquarium“. Doch was sollen sich die Besu- cherInnen an regnerischen Sonntagen bis dahin im Museum anschauen? Zum fünften Mal den bereits fertiggestellten asiatischen Museumskontinent im Erdgeschoß? Den Baufortschritt der „Evolution“?

Viel Abwechslung wird sich BesucherInnen in den nächsten Jahren nicht bieten - wenn es nach der Deputation für Wissenschaft geht. Diese will die Museumsleitung dazu bringen, sich mit ihren geringen Mitteln auf die „Dauerausstellungen“ zu konzentrieren und auf „Sonderausstellungen“ tunlichst zu verzichten. Nicht einverstanden ist Museumsdirektor Dr. Herbert Ganslmayr. Er befürchtet: „Dann ist ja überhaupt kein Anreiz mehr da“. Ganslmayr zog bereits heftige Kritik des Rechnungshofes

auf sich, weil er Sonderausstel lungen durch wilde Finanz-Jonglagen ermöglicht hatte. Nur 8.000 Mark sind in seinem Haushalt für Sonderausstellungen vorgesehen. 200.000 BesucherInnen zählte Bremens beliebtestes Museum im vergangenen Jahr. „Sonderausstellungen“ gab es über den „Totenkult in Mexiko“ (1986), „Zypern“ (1987) und „Kurdistan“ (1988). Demnächst folgen „Kopftuch“, „ökologischer Gartenbau“ und „Kremlgold“.

Aber auch innerhalb des Museums befürworten KollegInnen die schmalspurige Behördenposition. Da ist einmal die stellvertretende Museumsdirektorin Dr. Kuster, die endlich ihr Werk, die „Evolution“, mit Vorrang beendet wissen will. Und da sind die überarbeiteten Mitarbeiter der museumseigenen Werkstätten, denen ihre ständige Überforderung ein Greuel ist. Denn das Museum hat sein Sparsoll so gut erbracht, daß in den bestens eingerichteten Werkstätten nur noch zwei Mitarbeiter fest angestellt tätig sind. Diese beiden müssen mit „prämien-arbeitenden“ So

zialhilfeempfängern und ABM-Kräften den riesigen Wust technischer Arbeiten erledigen, der für jede Ausstellung neu anfällt. Direktor Ganslmayr kann denn auch gut verstehen, „daß man von den Werkstätten aus sagt: 'weniger Sonderausstellungen'“.

Die Behörden-Vorlage für die Deputationssitzung kommt dem Museum denn auch etwas entgegen: 2 1/2 Planstellen dürfen wieder besetzt werden. „Sonderausstellungen“ sollen jedoch gefälligst aus „Drittmitteln“ finanziert werden, handwerkliche Leistungen sollen außerhalb des Museums teuer bezahlt werden.

In eine „Sonderausstellung“ investiert der Senat selbst Drittmittel - in das „Gold aus dem Kreml“ (Eröffnung: Mitte Juni). Diese „Sonderausstellung“ als wirtschaftsfördernder Standortfaktor war dem Senat 1,7 Millionen Mark wert, und weil für Frau Gorbatschowa alles viel schneller gehen mußte, steht ein deftiger Nachschlag noch aus. Auch das verarmte Museum bekam etwas ab. Für Kremlgold wurde sein Eingangsfoyer „veredelt“ und „zeitgemäß“ umgestaltet.

B.D.