piwik no script img

Bunge und Born

Argentiniens künftiger Wirtschaftsminister war Chef des einzigen Multis im Lande / „Plan B.B.“  ■ PERONISTEN und GROSSKONZERN auf Du und Du

Am Dienstag gab der zukünftige Präsident Argentiniens, der am Pfingstsonntag gewählte Peronist Carlos Menem bekannt, wer in seinem Kabinett das Amt des Wirtschaftsminister bekleiden wird: Miguel Roig, bis zum vergangenen Jahr Vizepräsident des argentinischen Konzerns Bunge und Born.

Im Jahr 1974 war der Konzern weltweit in die Schlagzeilen gekommen, als die peronistisch orientierte Guerillaorganisation Montoneros zwei Söhne des damaligen Firmenchefs entführte. Die Montoneros forderten 60 Millionen Dollar Lösegeld, die Verteilung von Lebensmitteln in den Armenvierteln, die Erfüllung der Forderungen der Arbeiter des Konzerns und die Aufstellung der Büsten von Domingo und Evita Peron in den Bunge und Born-Fabriken. Die Forderungen wurden erfüllt, die Gebrüder Born freigelassen.

Bunge und Born ist der einzige Weltkonzern mit Sitz in Argentinien. Die Holding umfaßt zur Zeit 89 Firmen. Die Schwerpunkte liegen in den Sektoren Landwirtschaft - dem Konzern gehören eine Million Hektar des Landes -, Nahrungsmittel, Textil, Chemie und Farben, Verpackungen sowie Immobilien und Finanzgeschäfte. Bunge und Born gehören zu den fünf größten Firmen auf dem weltweiten Getreidemarkt. Nach dem amerikanischen Cargill ist der Clan der zweitgrößte Exporteur von Agrarprodukten Argentiniens, man ist aber auch in erheblichem Umfang an den Industrieexporten beteiligt.

Der jetzige Vizepräsident Nestor Rapanelli koordiniert die Aktivitäten der „Grupo Maria“ genannten Gruppe der (ca. dreißig) „Kapitäne der Industrie“ Argentiniens, die seit 1985 in bestem Kontakt zur Regierung Alfonsin steht, und im letzten Jahr ihre Beziehungen zum Umfeld Menems intensivierte. Gustavo Caraballo, Mitredakteur der peronistischen Wahlplattform, ist ein Verwandter des Ex -Konzernchefs Mario Hirsch.

Im Mai 1989 ist einer der damals Entführten, Jorge Born, Präsident des Konzerns, während Ex-Montoneros mittlerweile im Gefolge des zukünftigen Präsidenten Menem arbeiten. Nach der Wahl am 14. Mai war Carlos Menem der Ansprechpartner des Konzerns für die Lancierung des Wirtschaftsplans, der vom amerikanischen Nobelpreisträger Lawrence Klein erarbeitet wurde: Der sogenannte „Plan B.B.“.

Der „Plan B.B.“ verspricht die kurzfristige Aktivierung von 3,5 Milliarden US-Dollar durch die Verpflichtung der Exportwirtschaft, ihre Devisenerlöse (und Reserven) in die Landeswährung einzutauschen. Mit diesem Geld soll die Regierung den Unternehmen Lohnerhöhungen ermöglichen, ohne daß diese auf die Preise aufgeschlagen werden. Damit soll die abgesackte Binnennachfrage belebt werden.

Der Staat seinerseits verpflichtet sich zu einem hohen festgesetzten Dollarkurs, der die Exporte begünstigt, zur Senkung von Importzöllen, niedrigen Zinssätzen für Kredite und natürlich zur Senkung der Staatsausgaben und Privatisierungen.

Bei einer Summe von 3,5 Milliarden Dollar konnte Menem nicht nein sagen. Im Wahlkampf waren die Peronisten mit dem Versprechen der „Industriellen Revolution“ durch „Sozialpakt“ angetreten, und Menem gewann die Stimmen der Massen mit der Zusage erheblicher Lohnerhöhungen. Der „Plan B.B.“ soll das alles verwirklichen. Die Interessen von Bunge und Born und mit ihnen die Interessen der Landwirtschaft, der exportorientierten Industrie und der Banken bleiben somit auch unter einer peronistischen Regierung die maßgeblichen in diesem Land.

Harald Paul

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen