Hohngelächter für Chinas starken Mann

Die erste Gegendemonstration von Bauern, HändlerInnen und Spitzeln in Peking sorgte für Heiterkeit / StudentInnen wurde der Zutritt zu einer Gerichtsverhandlung verwehrt / Barrikaden wurden abgebaut, die Produktion im Industriedschungel Shougang „läuft normal“  ■  Aus Peking Thomas Reichenbach

Am Montag nachmittag erlebte die Pekinger Innenstadt zum erstenmal eine Gegendemonstration von mehreren zehntausend Bauern und Bäuerinnen, HändlerInnen, Hoteliers, PolizistInnen, Spitzeln und einigen Offizieren. Ihre Transparente wie: „Unterstützt die Regierung“, „Schluß mit den Unruhen“ oder „Wir unterstützen die Rede von Li Peng und Vangshankun“ sorgten für Heiterkeit. Die gleichen Parolen hingen nämlich auf Weisung der Stadtregierung auch an vielen Gebäuden der Innenstadt. Nachdem am Mittwoch die Verhaftungen dreier Arbeiterführer bekanntgeworden waren, demonstrierten mehrere hundert StudentInnen vor dem „Amt für öffentliche Sicherheit“. Trotz der Behauptung der Behörden, die Mitglieder des Arbeiterkomitees Pekings seien bereits freigelassen - womit erstmals deren Verhaftung bestätigt wurde -, zogen die StudentInnen nicht ab, sondern forderten eine Klärung des Vorfalls.

Einen noch schlaueren Trick wendete die Justiz an. Für Donnerstag war der Prozeß gegen den Kraftfahrer Yi Jingyao vorgesehen, der am 19. Mai versucht hatte, die ArbeiterInnen des nahegelegenen Shougang-Stahlwerks zur Straßenblockade gegen das anrückende Militär aufzurufen, aber bereits am Haupttor vom Werkschutz festgenommen worden war. Nur etwa 40 StudentInnen der Peking-Uni hatten den Weg in den Außenbezirk Shijingshan zum dortigen Gerichtshof auf sich genommen, um als „ProzeßbeobachterInnen“ und Mahnwache gegen die Repression zu protestieren. Wie erwartet, erhielten weder sie noch die taz Zugang zum Gerichtsgebäude.

Einige Polizisten standen hinter den verschlossenen Eisentoren. Die StudentInnen hängten Transparente wie: „Die Regierung hat gelogen“, „Die Abrechnung kommt doch“ und „Solidarität mit den Arbeitern“ an die Gitter und versuchten über Megaphon die Bevölkerung über den Prozeß zu informieren. Doch erreichten sie in der unbelebten Nebenstraße nur wenige ArbeiterInnen, dafür aber etliche spazierende Großmütter. „Yi Jingyao ist willkürlich aus der Menge der Unterstützer herausgegriffen worden, um ein Exempel zu statutieren“, rief eine Studentin den Umstehenden zu.

Der Weg zum Ort der Verhaftung, den Shougang-Stahlwerken, führt an der ehemaligen Blockadelinie bei Bajicaoun vorbei, wo über eine Woche lang die Wohnbevölkerung zusammen mit StudentInnen und StahlarbeiterInnen die Panzer- und Lkw -Konvois der Armee gestoppt hatten. Das Bild hat sich inzwischen völlig gewandelt: Die Barrikaden sind abgebaut, die quergestellten Fahrzeuge haben die Fahrbahn geräumt. Die sabotierte U-Bahnlinie, die der Armee den bequemen Zugang zum Stadtzentrum verwehrte, hat den Betrieb wiederaufgenommen. Der als „Hauptquartier“ der BlockiererInnen dienende Omnibus steht verlassen mit platten Reifen am Straßenrand. Die Armee hat ihre Fahrzeugkonvois zurückgezogen, ist aber mit mehreren Jeeps und Kleingruppen im Ort präsent.

Einen Kilometer weiter beginnt das riesige Areal der Shougang-Stahlwerke, die an ein gigantisches Industriemuseum oder die Ausstellung Riese Proletariat und große Maschinerie erinnert. Viele der monströsen Anlagen stammen aus den 50er Jahren, aus Dutzenden Schornsteinen steigen gelbe Rauchfahnen auf. Aufgeständerte Rohrleitungen überqueren die Fahrbahn. In diesem Industriedschungel arbeiten 220.000 Beschäftigte, und ein großer Teil hat aktiv an der Solidaritätsarbeit der Betriebsgruppen für die studentische Bewegung teilgenommen. Die Regierung hat daher besonderes Augenmerk auf den Betrieb gerichtet und mit der Drohung von Lohnkürzungen eine Beteiligung der Arbeiter an den Protesten untersagt. Am Haupttor wird der Zutritt für Besucher von den in China üblichen Torwachen verhindert, Werkschutz ist nicht zu sehen. „Bei uns läuft die Produktion normal“, antwortet ein gerade von der Schicht kommender Arbeiter, dann wiegelt er ab.

Die Stadtverwaltung von Peking hat am Donnerstag Beschränkungen für die Berichterstattung über den chinesischen Studentenprotest verkündet. Ausländischen KorrespondentInnen wurde eröffnet, daß sie ihre Berichte zur Genehmigung vorlegen müßten.