: ZDL-Protest: „Zivildienst ist Kriegsdienst“
Zivildienstleistende sind bundesweit in Streik getreten / Protest gegen Einsatz als „Lückenbüßer und Jobkiller“ / ZDLer wehren sich gegen „Integration in die Kriegsvorbereitung“ / Krankenpflegepersonal unterstützt Protestaktionen / Disziplinarmaßnahmen drohen ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan
Mit Besen, Rollstühlen, einem fahrbahren Krankenhausbett zogen gestern vormittag knapp 500 Zivildienstleistende durch die Bremer Innenstadt. „Zivildienst ist Ausbeutung“ und „Zivis sind Jobkiller“ stand auf den mitgebrachten Transparenten. Die jungen Männer gehörten zu den rund 3.000 Zivildienstleistenden, die am Donnerstag morgen in Streik getreten sind.
Unter dem Motto „Zivildienst ist Kriegsdienst“ protestierten sie damit gegen ihren Einsatz als „Lückenbüßer und Jobkiller“ im sozialen Bereich sowie gegen ihre Einbindung in die zivile und militärische Kriegsvorbereitung. Allerdings wurde nicht nur gestreikt: In über 50 Städten demonstrierten die Zivis, spielten Straßentheater, informierten an Ständen über ihre Situation.
Zum Teil unterstützte das Pflegepersonal der örtlichen Krankenhäuser die Zivis bei ihren Aktionen. Zwischen ihren Schwierigkeiten und dem Anliegen der protestierenden ZDLer gibt es einen engen Zusammenhang: Während 35.000 Alten- und Krankenpfleger arbeitslos sind, wird ungefähr die gleiche Zahl von Kriegsdienstverweigerern in Krankenhäusern und Altenheimen zur Stelleneinsparung eingesetzt.
Mit ihren Aktionen bekundeten die Zivis gestern auch der Gewerkschaft ÖTV ihre Solidarität in der Tarifauseinandersetzung für das Pflegepersonal. Sie wollten nicht länger als billige Arbeitskräfte die Belegschaften der Gesundheitseinrichtungen spalten, sagte ein Sprecher der Selbstorganisation.
Außerdem sind sie selbst von schlechten Arbeitsbedingungen betroffen: Sie werden untertariflich bezahlt, haben keine normalen Arbeitnehmerrechte, dürfen zum Beispiel, da sie den Auflagen der militärischen Wehrpflicht unterliegen, nicht streiken und könnten deshalb als Streikbrecher eingesetzt werden. Da sie kein Streikrecht haben, müssen die Zivis, mit Disziplinarstrafen - nach Meinung der Selbsthilfeorganisation zwischen 40 und 80 Mark - rechnen.
Ein Teilnehmer der Bremer Demo dazu: „Wir wollen die Disziplinarverfahren, damit endlich öffentlich klar wird, daß wir als Kriegsdienstverweigerer gegen jeden Zwangs- und Kriegsdienst sind.“ Außerdem, so ein Kölner Zivildienstleistender, fördere ihr Einsatz die Einführung eines Zweiklassen-Gesundheitswesens: Billige Normalversorgung für Normalverdienende, Topversorgung für die Wohlhabenden.
Außerdem wollten die ZDLer gegen ihre Einbindung in das Verteidigungskonzept der Nato protestieren. Nach dem Zivilgesetz und dem neuen Katastrophenschutzgesetz können sie nämlich zum „Entschärfen von Blindgängern oder zum Bau von Bunkern verpflichtet werden“. „Somit sind wir in die Kriegsvorbereitung integriert, denn Krieg ist kein Schicksalsschlag, der unvorhergesehen ausbricht, sondern wird von langer Hand bereits im Frieden geplant...“ heißt es dazu im Streikaufruf.
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