Poeten und Pubs

■ Hinweise auf eine Bibliographie zum Thema Irland

Eine sehr erfreuliche und nützliche Neuerscheinung für alle, denen Irland mehr als ein romantisches Reiseziel ist, ist die von Jürgen Schneider und Ralf Sotscheck vorgelegte Irland-Bibliographie. Sie umfaßt die selbständigen deutschsprachigen Publikationen vom 16. Jahrhundert bis 1989 und ist die erste Irland-Bibliographie ihrer Art. Neben literarischen, literaturwissenschaftlichen und sprachwissenschaftlichen Publikationen ist darin eine lange Liste von Sachgebieten erfaßt: von Geographie, Wirtschaft, Recht und Zollwesen, Geschichte und Politik, über keltische Kultur, Religion, Architektur, Musik und Reiseführer bis hin zu Kinder- und Jugendbüchern, Philatelie, Zeitungen und Zeitschriften.

Das Ziel der Herausgeber, „den Zugang zu Büchern und Informationsquellen zu erleichtern und durch den Facettenreichtum der enthaltenen Literaturangaben ein einfaches, vorurteilsbeladenes Herangehen zu erschweren, und damit eine produktive Rezeption der Vielfältigkeit des Landes und seiner Kultur zu ermöglichen“, wird mit einem klaren Konzept verfolgt. Das Problem der Zugehörigkeit zur irischen Literatur wird wiederholt erörtert, befriedigend lösen läßt es sich grundsätzlich wohl kaum.

Die in diesem Band zusammengetragenen bibliographischen Angaben sind umfassend. Neben Titel und Untertitel sowie den Namen der AutorInnen und ÜbersetzerInnen, werden auch die VerfasserInnen von Einleitungen, Vor- und Nachworten sowie die HerausgeberInnen genannt. Auch die oft vernachlässigten IllustratorInnen, PhotographInnen und BearbeiterInnen werden hier aufgezählt; darüber hinaus der Verlagsort und Verlag, das Erscheinungsjahr und die Seitenzahl des jeweiligen Bandes. Allein diese Angaben schon machen das Blättern in der Bibliographie zu einer unterhaltsamen und - mit Blick auf die Irland-Rezeption in Deutschland - aufschlußreichen Lektüre. Ergänzt werden diese Angaben durch Kurzbiographien der aufgeführten AutorInnen.

In den ausführlichen Beiträgen zu bekannteren Autoren (Beckett, Behan, Joyce, Flann O'Brien und andere) wird mit weniger groben Zügen porträtiert. Fritz Senn irrt allerdings, wenn er seinen souverän und engagiert geschriebenen Aufsatz über Joyce mit der Vermutung beginnt, „daß Joyce von allen in diesem Band aufgeführten Einzelautoren am meisten bibliographische Einträge hervorrufen wird“. Unter dem Namen Jonathan Swift - dessen Zugehörigkeit zur irischen Literatur Heinz Kosok in seinem Beitrag diskutiert - finden sich deutlich mehr Einträge: allein an Übersetzungen von Gullivers Reisen sind mehr als 200 Titel aufgelistet. Die meisten Einträge finden sich allerdings unter dem Namen Oscar Wilde; besonders erfreulich dabei ist die für dieses Jahr angekündigte Übersetzung von Richard Ellmanns Wilde-Biographie. Weitere Sonderbeiträge befassen sich mit Anthologien (Lyrik, Märchen und Sagen), dem modernen irischen Drama, der Rezeption des Nordirlandkonflikts in der BRD sowie der Irland-Rezeption in der DDR. Wem das Schmökern in Bibliographien allerdings völlig fremd ist, der kann sich mit Hilfe des Registers in dem übersichtlich gestalteten Band schnell informieren.

Wie sehr Deutsche Irland als Reiseziel immer wieder fasziniert hat und welcher Art diese Faszination ist sofern sie ihren Niederschlag auf dem Buchmarkt findet -, macht der Abschnitt „Reiseführer“ mit stolzen 71 Titeln deutlich; unter der Rubrik „Reiseschilderungen. Bildbände“ sind gar 125 Titel erfaßt. Dort ist neben Traumstraßen Irlands, Die Insel der Heiligen und Das malerische Irland ebenso zu haben wie Irland zu Pferd, Irland auf eigene Faust und Irland billiger. Von Poeten und Pubs ist da die Rede, der Heimat der Regenbogen, von der Insel der Elfen, Esel und Rebellen und natürlich dem Irland wie wir es lieben. Daß die Mystifikation des Fremden den Blick für das tatsächlich Andere verstellt, läßt sich auch in den irischen Pubs immer wieder beobachten, aus denen die Poeten dann allerdings oft schon geflohen sind. Der Strom deutscher Touristen, die mit Bölls Irischem Tagebuch unterm Arm in Dublin aus dem Flugzeug steigen, ist immer noch nicht versiegt.

Daß die multimediale Irlandberichterstattung nur ein anderes Zerrbild des Landes entwirft, stellt Jürgen Schneider in seinen „Anmerkungen zur 'Troubles'-Rezeption in der BRD“ dar. Seine kritische Einschätzung des Herangehens der bundesrepublikanischen Linken an den Nordirlandkonflikt macht ebenso deutlich, daß einfache Identifikationsmuster angeboten unter dem Schlagwort Solidarität - weder einer angemessenen Analyse des politischen Konflikts und seiner historischen, sozialen und ökonomischen Aspekte dienen, noch zu einem reflektierenden politischen Engagement beitragen. Auch zur Aufarbeitung dieses Komplexes ist mit der vorliegenden Bibliographie ein wichtiger Schritt getan.

Martin Beuster

Jürgen Schneider, Ralf Sotscheck (Hrsg.): Irland - Eine Bibliographie selbständiger deutschsprachiger Publikationen. 16. Jhdt. bis 1989, Darmstadt, Verlag der Georg Büchner Buchhandlung 1988, 128 DM