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Kalinka live in Stuttgart

■ Volksfest beim Gorbatschow-Trip zu Späth / Mittelständische Industrieförderung aus Moskau / Grünen meckern

Stuttgart/Bonn (dpa/afp/ap/taz) Was den Bonnern der vom Kommunistenchef geknutschte Heinrich Christian Schilling war, ist nun den Stuttgartern das Kindertrachtenpaar aus Wutach im Schwarzwald: Der Staatsbesuch aus Moskau erreichte gestern die Provinz. „Kalinka“ live auf der Gitarre in den Straßen Stuttgarts, das Volk jubelt auch hier, die Gorbatschows bleiben 90 Minuten länger als geplant Volksfeststimmung, und Späth strahlt.

Gorbatschow war mit seiner Delegation am Morgen aus Bonn in Baden-Württemberg eingetroffen. Tausende säumten den Weg vom Flughafen zum Neuen Schloß, davor 5.000 Stuttgarter für das Bad der Gäste in der Menge. Im Schloß dann die Vorstellung der Landesregierung und eine kleine Vereinbarung: Gorbatschow und Ministerpräsident Späth verabredeten die Einrichtung eines gemeinsamen Industrieparks in der Sowjetunion für zehn bis 20 mittelständische Betriebe aus der BRD, Schwerpunkt: Maschinenbau. Am Nachmittag besuchte der KP-Chef die Stuttgarter Uni und ließ sich Wein vom Roboter ausschenken. Die Moskauer First Lady mußte derweil Napfkuchen essen bei einer Stuttgarter Famlie, Marke 'typisch deutsch‘.

Aus Bonn kam noch Ernsthaftes: Beide Länder dringen auf baldigen Abschluß und rasches Inkrafttreten einer Konvention über ein weltweites, umfassendes und wirksam verifizierbares Verbot chemischer Waffen, erfuhr man gestern. Es hatte ein weiteres Gespräch zwischen Bundesaußenminister Genscher und seinem sowjetischen Kollegen Schewardnadse gegeben. Es gelte allerdings, ein „Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit äußerst sorgfältiger Verifikation und den legitimen industriellen und kommerziellen Interessen“ sicherzustellen.

Lob allenthalben wegen der am Vortag unterzeichneten Gemeinsamen Erklärung. Nur die Grünen meckerten. Der Grünen -Abgeordnete Mechtersheimer erblickte in großen Teilen der Erklärung einen „krassen Gegensatz“ zur Politik beider Staaten. Das postulierte „entschlossene Handeln“ zur Rettung der Umwelt und zur Überwindung von Hunger und Elend wirkten wie Hohn auf die tatsächliche Umweltpolitik Bonns. Gorbatschow sei hinter seine zentralen Forderungen wie Atomwaffenfreiheit, Abzug aller fremden Truppen und Überwindung der Blocksysteme zurückgefallen. „Für Gorbatschow war das Einvernehmen mit Kohl wohl wichtiger als seine abrüstungspolitischen Zielsetzungen“.

ar Seite 4 und 8

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