: EG-Gefahr für deutsches Honigbrötchen
■ Der Kampf um den letzten „naturreinen“ Brotaufstrich im europäischen Binnenmarkt wird von Bremen aus geführt
Dem deutschen Frühstückshonig brötchen drohen ernste Gefahren. Die Gefahr heißt Europa. Denn was 1992, wenn alle Grenzen fallen, alles als „Honig“ auf deutschen Tischen, in deutschen Müslis und Erkältungshausmitteln landet, entzieht sich spätestens dann der sprichwörtlichen Gründlichkeit deutscher Kontroll -Bürokratien. Auch was „Honig“ und was „kein Honig“ ist, wird ab 1992 nicht mehr in Bonn sondern in Brüssel bestimmt.
Was das bedeuten kann, weiß die deutsche VerbraucherIn spätestens seit dem juristischen Fall des deutschen Bier -Reinheitsgebots vor dem europäischen Gerichtshof: Chemie, Schaumstabilisatoren und Konservierungsmittel im goldgelben Gerstensaft. Droht jetzt auch dem Honig der Verfall der bislang strengen Qualitätsstandards?
Wenn es nach dem „Honig-Verband der Bundesrepublik Deutschland e.V.“ geht, heißt die Antwort eindeutig: Nein. Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Für den Honig wächst es vor allem in Bremen. Hier sitzt seit 1954 das Deutsche Institut für Honigforschung.
Bis zu 4.000 Honigsorten aus aller Herren Importländer werden hier jährlich unter der Leitung von Dr. Cord Lüllmann auf Reinheit, Enzym-, Fructose- und Glucosegehalt untersucht, werden elektrische Leitfähigkeit und Wassergehalt unzähliger Honigproben ermittelt.
Eine der wesentlichen Ergebnisse der 35jährigen Bremer Honig-Grundlagenforschung war 1976 z.B. der Erlaß der deutschen
Honigverordnung. Innerhalb deutscher Grenzen war Honig damit erstmals eindeutig und rechtsverbindlich definiert als „flüssiges, dickflüssiges oder kristallines Lebensmittel, das von Bienen erzeugt wird, indem sie Blütennektar, andere Sekrete von lebenden Pflanzenteilen oder auf lebenden Pflanzen befindliche Sekrete von Insekten aufnehmen, durch körpereigene Sekrete bereichern und verändern, in Waben speichern und dort reifen lassen.“
Darüberhinaus - und für die Verbraucherin vielleicht noch wichtiger - verfügte die Honigverordnung unmißverständlich: „Honig dürfen weder Stoffe zugesetzt noch honigeigene Stoffe entzogen werden“. Bislang gilt im deutschen Supermarkt: Wo Honig draufsteht, ist auch Honig drin.
Auch an der zweiten Front im ständigen Kampf um Qualitätshonig hat sich das Bremer Honiginstitut unschätzbare Verdienste erworben. Denn seit Lenin weiß man auch in der Honigforschung: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Und gerade in der Honigkontrolle litten deutsche Importeure jahrelang unter dem heillosen Wirrwarr in der internationalen Honiganalyse. Ein Honig, der in Andalusien z.B. mit einem ausgezeichneten Hydroxymethylfurfurol-Gehalt (HMF) von unter 20 mg/kg gemessen worden war, mußte in deutschen Laboren noch lange nicht die gleichen Werte aufweisen - ein Resultat höchst unterschiedlicher Nachweisverfahren, unterschiedlich exakter Meßgeräte und unterschiedlich qualifizierter
Chemiker.
Auch hier hat das Bremer Honiginstitit inzwischen weitgehend für Ordnung gesorgt. Die im Bremer „Institut für Honigforschung“ in jahrzehntelanger Forschung erarbeiteten Analyse-Methoden sind inzwischen in allen wichtigen honigexportierenden Ländern verbreitet und jetzt vom Berliner DIN-Institut sogar standardisiert worden. Ein Erfolg der deutschen Honigimporteure, Honigabfüller und Honigversandhändler, deren Mehrheit seit über 50 Jahren im „Honig-Verband der Bundesrepublik Deutschland e.V.“ organisiert ist. Sitz des Verbands mit 44 Mitgliedern ist wiederum Bremen.
Damit laufen hier alljährlich die Schicksalsfäden von rund 80.000 Tonnen Importhonig zusammen, die ca. 80 bis 90 Prozent des bundesdeutschen Gesamthonigaufkommens ausmachen.
Der erfolgreiche 50jährige Einsatz für das Image des Importhonigs, der in seinen Anfängen vor allem ein Kampf gegen die Vorurteile deutscher Imker und Honigfreunde gegen die mexikanische, türkische, und chinesische Honigkonkurrenz war, soll jetzt auch in Brüssel fortgesetzt werden. Unter maßgeblicher Beteiligung des deutschen Honigverbandes wurde deshalb jetzt die europäische „Federation Europeenne des Emaballeurs et Distri
buteurs de Miel“ (FEEDM) gegründet, die die Interessen des Honigs in einem geeinten Europa mit geeinter Stimme der europäischen Honig-Importeure vertreten soll.
Ziele der FEEDM nach ihrer offiziellen Akkreditierung in Brüssel: Das deutsche Honig Reinheitsgebot und die strenge DIN-Norm für Honigqualitätskontrollen auch in den noch ausstehenden europäischen Honigrichtlinien zu verankern. Auch nach 1992, so der Bremer Geschäftsführer des Honigverbands Günther Hoffmann, soll Honig bleiben, was er war: „Das letzte natürliche Lebensmittel.“
Klaus Schloesser
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