: Aids und Schwulenpolitik
Allerorten zieht die Schwulenbewegung 1989 Bilanz. In diesem Artikel weisen wir auf Defizite schwulenbewegter Emanzipationspolitik hin, versuchen eine Analyse der veränderten Rahmenbedingungen und schlagen eine reformorientierte Neuformulierung schwulenpolitischer Programmatik vor.
Die Debatte um Aids lassen wir an dieser Stelle weitgehend außen vor. Dies bedarf einer Erklärung, hat doch Aids das schwule Leben in den 80er Jahren entscheidend verändert, sind Angst, Krankheit und Tod prägende Themen schwulen Alltags geworden, sind angesichts von über 70 Prozent Schwulen unter den an Aids Erkrankten, Aids- und Schwulenpolitik nicht voneinander zu trennen.
Nur, das Thema Aids wird in der Schwulenbewegung zumeist quer zu den üblichen Konfliktlinien diskutiert. Abgesehen von einigen exotischen Positionen, deren Protagonisten sich in Saubermann-Manier reaktionäre moralische Verdikte über schwule Lifestyles zu eigen machen, ist man sich im Grundsätzlichen weitgehend einig. Freilich, da, wo es gilt, Kritik an der herrschenden Aidspolitik umzusetzen, wird die allgemeine politische Formschwäche der Schwulenbewegung wiederum schmerzlich spürbar.
So recht gelang es bisher nicht, aus der Opferrolle auszubrechen, Dämme gegen die Kriminalisierung der Sexualität HIV-Positiver zu errichten und richtige aidspolitische Positionen der Schwulenbewegung (HIV-Test -Kritik, kritische Safer-Sex-Arbeit) gesellschaftlich zu verankern.
Gerade schwule Aidspolitik darf sich nicht darin erschöpfen, immer nur das Schlimmste zu verhindern. Dafür drängt die Zeit zu sehr.
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