: „Menschen zu Zombies gespritzt“
Eine neue Runde um den Anstaltsarzt der JVA Butzbach: Gefangener nutzt Beleidigungsprozeß zu Anklage ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Butzbach/Frankfurt (taz) - Vor dem Amtsgericht Butzbach wird seit gestern unter Vorsitz von Amtsrichter Veit gegen den Strafgefangenen Peter M. verhandelt. Die Staatsanwaltschaft Gießen wirft dem 42jährigen M. vor, den Anstaltsarzt der JVA Butzbach Dr.Zenker gröblich beleidigt zu haben. In einem Brief an einen Freund hatte M. vor Jahresfrist geschrieben, daß ein Mensch dafür bestraft gehöre, wenn er einen Arzt „Dr.Zenker“ nenne. M. bezog sich in seinem Brief auf einen Schuldspruch gegen einen Mitgefangenen, der besagten Gefängnisarzt Zenker „Dr.Mengele“ genannt hatte. Der Brief war von der Anstaltsleitung abgefangen worden. Sowohl Zenker als auch die Anstaltsleitung erstatteten Strafanzeige wegen Beleidigung. In seiner Einlassung zu Prozeßbeginn distanzierte sich M. von dem Mengele-Vergleich seines Mitgefangenen. Keinen Zweifel ließ M. allerdings daran aufkommen, daß er die Vorwürfe seines Mitgefangenen gegen den Anstaltsarzt Zenker, die bereits in einem früheren Prozeß zur Sprache gekommen waren, voll teilt: „Dr.Zenker spielt mit dem Leben und der Gesundheit der Gefangenen.“
Mehrfach von Amtsrichter Veit unterbrochen, erklärte M., daß Zenker wiederholt Gefangenen gegen ihren Willen Neuroleptika injiziert habe. Dabei habe es weder eine Aufklärung über die Risiken einer solchen „Betonspritze“ (M.) gegeben, noch sei eine Nachsorge des betroffenen Gefangenen erfolgt. Die „Abgespritzten“ seien tagelang wie betäubt gewesen: „Zenker hat Menschen zu Zombies gespritzt.“ Der Angeklagte verlas vor Gericht die Stellungnahme des Hausarztes eines Mitgefangenen, der über den Zustand seines Patienten nach einer Neuroleptika-Behandlung durch Dr.Zenker „entsetzt“ gewesen sein soll.
M. nannte sieben Gefangene namentlich, die in den letzten Jahren in Butzbach gestorben seien, weil Dr.Zenker nicht „oder nicht rechtzeitig“ - ärztliche Gegenmaßnahmen ergriffen habe. Des weiteren habe Zenker schwer suizidgefährdete Gefangene trotz gegenteiliger Beurteilung durch den Gefängnispsychologen in Einzelzellen einweisen lassen. Nach einer solchen von Zenker veranlaßten Einweisung habe sich der Marokkaner B. in seiner Einzelzelle erhängt. Die zuständige Staatsanwaltschaft Gießen habe sich trotz rund 100 Strafanzeigen gegen Zenker bislang geweigert, ein Ermittlungsverfahren gegen den Anstaltsarzt einzuleiten.
Der Prozeß im großen Verhandlungssaal des Amtsgerichtes Butzbach endete vorläufig mit einer Überraschung. Da Amtsrichter Veit der Ehemann der Butzbacher Augenärztin Veit ist und Anstaltsarzt Zenker seine inhaftierten Augenpatienten ausschließlich zur Behandlung an die Gattin des Richters überweist, stellte M. nach der Ablehnung seiner zahlreichen Beweisanträge einen Befangenheitsantrag - „wegen geschäftlicher Verbindungen zwischen Dr.Zenker und der Familie Veit“. Über diesen Antrag wird in den nächsten Tagen entschieden. Der Prozeß soll am 6.Juki um 10.30 Uhr fortgesetzt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen