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„Das hat einen richtig gerührt“

■ Ute und Melanie Loh berichten über deutsche Journalisten, Die Knastbedingungen auf Zypern, ihre Wärterinnen, die Polizisten und den ermittelnden Komissar / Über die Menschlichkeit die ihnen entgegenschlug sind sie bewegt

taz: Über Ihren Prozeß ist viel in den deutschen Medien berichtet worden - teils in einer recht widerwärtigen Art. Welche Erfahrungen haben Sie mit Journalisten gemacht?

Melanie Loh: Unsere Paßfotos sind in die Hände von Blättern gelangt, die eine Sex-and-crime-story daraus gemacht haben. Es wurden Lügenstories gepinselt.

Wurden Sie im Gefängnis von Journalisten belästigt?

Melanie Loh: Unseren Anwälten wurde viel geboten für Fotos, Stories, für irgendwelche Informationen. Sie haben unseren Anwälten gedroht, sie würden Sachen schreiben, die uns schaden, falls keine Informationen rausgerückt werden. Die Anwälte haben sie abgewehrt. Einmal war eine Frau, die als freie Journalistin für 'Bild‘ arbeitet, im Gefängnis. Wir wollten nicht mit ihr reden. Zum Schluß hat sie gesagt, es ist alles nicht so schlimm, die vier Jahre gehen schnell vorbei.

Ute Loh: Sie haben die Wohnung meiner Mutter gestürmt. Sie ist 81. Sie haben in Büchern rumgewühlt. Ein Reporter hat im Radio behauptet, er hätte 15 Minuten mit uns geredet. Eine unglaubliche Lüge.

Können Sie etwas über die Briefe erzählen, die Sie im Gefängnis erhalten haben?

Melanie Loh: Wir haben stapelweise Briefe gekriegt - aus Deutschland, aus Holland, aus Amerika, aus Frankreich, aus Österreich, aus Italien - von Frauen wie auch von Männern.

Ute Loh: Viele vergewaltigte Frauen erzählten, wie es ihnen gegangen ist.

Melanie Loh: In allen Briefen spürt man eine unheimliche Betroffenheit. Sie sind sprachlos über das, was passiert ist, fassungslos über das Urteil des Gerichtes in Famagusta.

Wie sind die Bedingungen im Gefängnis?

Melanie Loh: Ich kenne keinen anderen Knast. Es ist hell hier. Wir können den ganzen Tag raus aus der Zelle. Nachts wird abgeschlossen. Tagsüber sind wir mit den anderen Frauen zusammen. Im Hof gibt es Blumen. Es ist eigentlich ganz schön.

Ute Loh: Es wird uns vermittelt, daß wir Menschen sind. Die Aufseherinnen, die hier arbeiten, würden dich lieber draußen sehen. Du wirst hier nicht behandelt wie ein Verbrecher, sondern wirklich wie ein Mensch. In Deutschland sollte sich jemand drum kümmern, daß es etwas anderes gibt. Bei uns schreiben sie Rehabilitation so groß. Sie sollten sich mal die Realität angucken. Es ist wirklich ein Riesenunterschied, was für Menschlichkeit hier läuft.

Sie hatten sehr schlechte Erfahrungen mit Ärzten, die Sie nach den Vorfällen untersuchten. Wie waren Ihre Erfahrungen mit Polizisten?

Ute Loh: Wir haben mit Polizisten positive Erfahrungen gemacht.

Melanie Loh: Gleich zu Anfang, der ermittelnde Kommissar, der sich die Tage unmittelbar nach der Nacht drum gekümmert hat, er war unheimlich gut. Weißt Du, ich bin Berlinerin und kenne die Berliner Bullen. Ich habe da schon Dinge erlebt, ohne daß ich etwas provoziert habe. Hier der Kommissar fragte dich die Sachen, sagt zu uns: „Don't worry.“ Atme erst mal dreimal. Wir haben Zeit. Willst Du lieber ein anderes Mal reden? Soll ich ein anderes Mal kommen? Auch die Polizisten, die uns vom Gefängnis Nikosia nach Famagusta gebracht haben, jedesmal fragten sie, wollt Ihr etwas trinken, habt Ihr gegessen, wie geht es Euch? Jedesmal super. Das hat einen richtig gerührt.

Daß Vergewaltigungsopfer zu Schuldigen gestempelt werden, ist ja fast ein klassisches Muster. Hätte diese Geschichte Ihnen auch in Deutschland passieren können?

Ute Loh: Original Deutschland. Das hätte überall passieren können. Auf jedem Platz dieser Welt hätte das passieren können.

Ich frage auch nach den Folgen, dem Gerichtsprozeß, die Art der Prozeßführung.

Ute Loh: Der Prozeß wäre anders verlaufen. Bezüglich der Moral wären die Probleme in Deutschland stärker. In unserem Prozeß wurde die Moral nicht angesprochen. In Deutschland würden von diesen Männern Fragen kommen, um uns in eine Moralkiste reinzukriegen.

Interview: ö.e.

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