: Gorbatschow gibt Rückenwind für Regatta
Eine Segelregatta für Kultur, Ökologie und Frieden soll Brücken zwischen den Anrainerstaaten der Ostsee schlagen und Umweltprobleme zum Thema machen ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
Gorbatschows Initiativen bringen frischen Wind nach Europa. Das „neue Denken“ in der Sowjetunion hat nun auch einer Initiative Rückenwind gegeben, die seiner in besonderer Weise bedarf: Anfang August startet auf der Ostsee eine Segelregatta für Kultur, Ökologie und Frieden, die eine internationale Zusammenarbeit der Anrainerstaaten vorwärtsbringen soll. Beginnen soll die Regatta über das ökologisch schwer geschädigte und als Aufmarschgebiet der Kriegsflotten mißbrauchte Meer in Leningrad mit einem Kulturfestival und einem Friedenssymposium über die Probleme der Ost-West-Zusammenarbeit. Charakteristisch und neu für die neuen Möglichkeiten ist, daß in der Sowjetunion sowohl offizielle Stellen als auch unabhängige Friedens- und Ökologiegruppen an der Durchführung beteiligt sind. Bis Mitte September stehen dann Zwischenstationen in Helsinki, Tallin, Stockholm, Danzig, Kiel und Hamburg auf dem Programm.
„Die Dynamik der Ost-West-Beziehungen hat neue Chancen für gemeinsames Handeln in Europa eröffnet“, resümiert der deutsche Organisator Alfred Horn, im Hauptberuf Mitarbeiter der Europafraktion der Grünen, über seine Erfahrungen bei der Vorbereitung. „Trotz guten Willens auf beiden Seiten behindert gegenseitige Unkenntnis der kulturspezifischen Denk- und Sichtweisen sowie der gesellschaftlichen Strukturen die notwendigen Schritte für eine gemeinsame Zukunft.“ Hier soll die Friedensregatta gerade im fünfzigsten Jahr nach Beginn des zweiten Weltkriegs Brücken schlagen helfen.
Veranstalter der Friedensregatta ist die „europäische Gesellschaft für Ökologie und Kultur“ (ESEC), die ihren Sitz in Stockholm, Warschau und Bonn hat. Im Vorstand sitzt unter anderem der Ökologe und Stifter des alternativen Nobelpreises, Jakob von Uexküll. Die ESEC hat erreicht, daß das Projekt in Polen und der Sowjetunion von staatlichen Organisationen wie dem Kulturfonds der UdSSR unterstützt wird und eine gleichberechtigte Teilnahme von unabhängigen und oppositionellen Gruppen wie dem eng mit der Solidarnosc zusammenarbeitenden polnischen Ökologischen Club durchgesetzt werden konnte. Nur die DDR steht abseits. Alle Bemühungen für einen Zwischenstopp in Rostock, auch von offizieller Seite aus der Sowjetunion, konnte die DDR nicht zu einer Zulassung von unabhängigen Friedens- und Ökologiegruppen wie dem Ost-Berliner „Arche„-Projekt bewegen. Genau dieses aber wäre für die Veranstalter die Voraussetzung gewesen, staatliche Angebote zu akzeptieren.
Die Sowjetunion hat bislang zwanzig Hochseeyachten für die Regatta gemeldet, heißt es bei den Organisatoren. Teilnehmen werden auch Delegationen aus Hiroshima und den USA. Die Fahrt der Schiffe wird begleitet von mehrtägigen Kulturfestivals an allen Zwischenstationen. Dabei sieht das Programm sowohl klassische Musik, Theateraufführungen, Ballettvorstellungen und Performances als auch Jazz- und Rockkonzerte vor. Hinzu kommen in Stockholm, Leningrad, Danzig und Hamburg jeweils Symposien zur ökologischen Situation der Ostsee und einer friedlichen Zusammenarbeit der Anrainerstaaten. In den Städten Kiel und Hamburg, die vom 7. bis 17.September die Abschlußstation des Regattaprogramms bilden, wird es unter anderem Jazz- und Rockprogramme mit sowjetischen Gruppen sowie Dichterlesungen von Jewgenij Jewtuschenko geben. Für die Festivalstation in Danzig, wo am 1.September der Entfesselung des zweiten Weltkriegs durch Hitlers Überfall gedacht wird, hat Herbert Grönemeyer aus der Bundesrepublik seine Teilnahme zugesagt ohne Gage.
Über ein Jahr habe die Vorbereitung der Regatta gedauert, sagt Alfred Horn. In den anderen Ländern habe das Projekt deutlich mehr Unterstützung erfahren als in der Bundesrepublik. Greenpeace hat das Vorhaben mit einigen tausend Mark unterstützt, doch die Grünen zieren sich noch. Auch die Hansestadt Hamburg konnte sich zuerst nicht entscheiden, das Projekt mitzufinanzieren. Nach dem aufwendigen Hafenjubiläum sei das Geld knapp, bekam Horn lange Zeit zu hören. Nun aber wird das Spektakel von Hamburg zumindest mit 30.000 Mark und Kiel mit 20.000 Mark unterstützt. Doch Sponsoren für die Flüge der zwanzigköpfigen Groenemeyer-Band werden noch gesucht.
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