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Die Sonne der Pasok geht unter

Aus eigenem Antrieb wollte sie sich nicht säubern - jetzt wird die Pasok von anderen gewaschen. Papandreous Panhellenische Sozialistische Bewegung steht nach der Regierungsbildung von Linken und Rechten vor dem Ende. „Verrat!“ riefen Pasok-Anhänger am Samstag in Athen und meinten das undankbare Linksbündnis, das sich trotz üppiger Fleischbrocken nicht mit ihnen zu Tische setzen wollte, sondern ein Bündnis mit den Konservativen vorzog. Verraten sind diverse ehemals Mächtige jetzt allerdings - und verkauft. Die neue Koalition wird alles daran setzen, die Pasok in den Sumpf zu ziehen, den sie selbst hinterlassen hat.

Dabei hatte alles so schön angefangen. 1981, nach einem triumphalen Wahlsieg, erklomm Andreas Papandreou und seine Partei die Regierungsmacht. Der charismatische Ministerpräsident ging an den versprochen Umbau Griechenlands. Die zivile Ehe wurde eingeführt, Scheidung und Abtreibung legalisiert. 40.000 exilierte Veteranen des griechischen Bürgerkriegs erhielten die Möglichkleit zur Rückkehr in die Heimat. Papandreou propagierte einen atomwaffenfreien Balkan, besuchte als erster griechischer Premier Moskau und verbesserte die Beziehungen zur Sowjetunion nachhaltig. Neue Sozialgesetze wurden eingeführt, das Gesundheitssystem reformiert.

Heute steht die Partei vor dem politischen Bankrott. Keine Phantasie ist schmutzig genug, als daß sie nicht durch die Athener Realität eingeholt worden wäre. Da bezeugten ehemalige Leibwächter Papandreous, sie hätten dem Vetrauten des Premiers, Louvaris, einen randvoll mit 5.000-Drachmen -Scheinen gefüllten Karton Pampers-Babywindeln übergeben mit schönen Grüßen von Großbetrüger Koskotas. Ex -Justizminister Koutsojorgas erhielt aus gleicher Quelle zwei Millionen US-Dollar auf ein Schweizer Bankkonto. Der Direktor der staatlichen griechischen Telefongesellschaft, Tombras, wollte zwei Journalisten verprügeln, die auf der Suche nach der Wahrheit waren. Der Direktor verschwand, tauchte wieder auf, landete im Knast und führte von dort die Amtsgeschäfte, worunter speziell das Abhören von Telefongesprächen zu verstehen ist, fort. Bei der Beschaffung von „Mirage„-Düsenjägern sollen fünf Prozent der Kaufsumme in der engsten Umgebung Papandreous versickert sein. Papandreou und die Pasok seien mit 36 Millionen Mark von einem Betrüger begünstigt worden, heißt es.

Der Skandal trägt einen Namen: Koskotas. Der naturalisierte US-Bürger griechischer Abstammung kann für sich in Anspruch nehmen, die Frage „Wie raube ich eine Bank aus“ in einer bislang unbekannten Weise beantwortet zu haben: Er kaufte sie. Der kleine Bankangestellte Koskotas lieh sich etwas Geld, zahlte damit den Kaufpreis für die „Bank von Kreta“ an und zahlte den Rest aus den Einlagen seiner Bank. Anschließend nutzte er sein neuerworbenes Vermögen weiter: eine Radiostation, mehrere Zeitungen, Hotels, Grundstücke und ein Fußballclub blieben in den Fängen des bewunderten Aufsteigers hängen. All das geschah unter den Augen der Regierenden, die sich fortan von Koskotas schmieren ließen. Der konnte großzügig absahnen: Staatliche Betriebe ließen ihre Einlagen weit unter dem üblichen Zinssatz bei der „Bank von Kreta“ deponieren.

Am Ende verschwand Koskotas unter dubiosen Umständen in die USA. Seitdem fehlen dem Staat mehr als 200 Millionen US -Dollar und der Regierung die Fortune. Kritiker der Pasok waren fortan für Papandreou nur „Verräter“, die aus der Partei ausgeschlossen wurden. Der Premier erging sich in dunklen Andeutungen über eine „ausländische Verschwörung“, beschimpfte die Journaille und stritt alles ab. Aus der „sozialistischen“ Pasok wurde eine reine Machterhaltungspartei. Minister gingen und wurden gegangen. Koskotas-Enthüllungen füllten die Titelseiten aller Tageszeitungen - Papandreou sah keinen Anlaß zu Konsequenzen. Geschwächt durch eine Herzoperation in Großbritannien und bei den sittengestrengen Wählern blamiert durch seine Liebschaft mit Dimitra Liani („Mimi“), gab der Premier nicht auf: „Niki“, den Sieg, versprach er in seiner letzten demagogischen Rede rund einer Million Pasok -Anhängern am Vorabend der Wahlen.

Schon früher gab es Kritik an Papandreous Umgang mit seiner Partei. Parteikongresse fanden nur alle fünf Jahre statt, innerparteiliche Demokratie blieb ein Fremdwort. Der Premier und seine Vertrauten bestimmten persönlich die Geschicke der Pasok. Zu Beginn der 80er Jahre verließen deshalb viele linke Intellektuelle enttäuscht die Partei.

Ob „Andreas der Große“ für die nächsten drei Monate als Oppositionsführer weiterarbeitet, bleibt abzuwarten. Gerüchten zufolge will er sich im nächsten Jahr um das freiwerdende Amt des Staatspräsidenten bemühen. Die Pasok steht vor einer Zerreißprobe, die die Partei möglicherweise nicht überleben wird. Wenn die neue Regierung ihr Versprechen wahr macht und all die Finanz-, Rüstungs- und sonstigen Skandale aufarbeitet, besteht für sie im Herbst keine Chance auf eine Rückkehr zur Macht. Die aufgehende Sonne, das Symbol der Partei, versinkt.

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