: Freiwild-betr.: "Ute und Melanie Loh: Wie war es wirklich?", taz vom 28.6.89
betr.: „Ute und Melanie Loh:
Wie war es wirklich?“, taz vom 28.6.89
(...) Es ist korrekt, über die Details der brutalen Tat zu berichten, nicht korrekt ist die Verpackung, die Ihr - oder die einzelne taz-Redakteurin wählt. Ihr zitiert in einem Artikel vom 7.6.89 die Schlagzeilen der Boulevardpresse, ohne Euch dabei selbstkritisch zu betrachten. (...)
So handelt es sich nicht um eine Berufung, sondern um eine Revisionsverhandlung. Unterschied ist, daß bei der Revision das Urteil juristisch nur auf die ordentliche Anwendung des zypriotischen Rechts untersucht wird, neue Tatbestände, Beweise oder ZeugInnenaussagen sind nicht Gegenstand der Verhandlung.
Bei Eurer Berichterstattung, egal ob von Gundhild Schöller, Ömer Erzeren oder Helga Lukoschat, verlieren die beiden Frauen als Vergewaltigungsopfer ihre Identität. Ihr benutzt Schlagwörter wie „Männerjustiz“, ohne die Vergewaltigung endlich als brutale alltägliche männliche Gewalt gegen Frauen zu verurteilen. (...)
Mit einem LeserInnenbrief haben sich die Frauen vom Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen e.V. zu „Sadismus in der Szene“ (taz vom 19.5.) über Eure katastrophale Berichterstattung zu Vergewaltigungsprozessen beschwert. „...So wird Vergewaltigung wieder zur Privatsache degradiert, statt als Ausdruck patriarchalischer Macht- und Gewaltstrukturen benannt zu werden... Warum geht Ihr so verständnisvoll auf die psychische Entwicklung und Sozialisation von Vergewaltigern ein?...“ Meine Antwort ist ein Zitat von Susan Brownmiller aus ihrem Buch Gegen unseren Willen: „Ist es nicht so, daß Männer krank werden, wenn sie's nicht bekommen, daß es sich staut und herausmuß? Schuldgefühle, weil allmächtige Männertriebe unbefriedigt bleiben? Fast scheint es verdammte Frauenpflicht und Schuldigkeit zu sein, dem Triebmythos die notwendigen Prostituierten zu stellen...
Nord-Zypern ist nicht islamisches Patriarchat, Nord-Zypern ist überall. Frauen sind Freiwild, auch wenn sie sich wehren - weltweit.
(...) Aufmache und Inhalt (schaut Euch mal den Titel an, sehr vielversprechend!) kann nun auch noch dem, der's noch nicht ganz genau weiß, dazu dienen, sich dran aufzugeilen. Sonst aber auch nichts.
Franziska
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen