: Vorgeschmack auf heißen Herbst
■ Sondersitzung von Innen- und Ausländerausschuß: CDU und „Republikaner“ polemisieren gegen die Asylpolitik des Senats / CDU will Sondersitzung des Abgeordnetenhauses
„Standing ovations“ für den Innensenator und die KoalitonspolitikerInnen: Nach Ende der Debatte um die Neuregelung zum Abschiebeschutz empfingen zahlreiche Flüchtlinge Erich Pätzold und Mitglieder der Fraktionen von AL und SPD in der Haupthalle des Rathauses Schöneberg mit lautstarkem Beifall. Was sich zuvor während der fast vierstündigen Diskussion im Sitzungssaal abgespielt hatte, war allerdings weniger applausverdächtig. Vor den Augen und Ohren zahlreicher ausländischer Berliner lieferten sich Koalitions- und Oppositionsfraktionen eine scharfe Kontroverse über die Neuregelung zum Abschiebeschutz für abgelehnte AsylbewerberInnen und andere AusländerInnen. Von seiten der Opposition wurde die „Überschwemmung der Stadt“ mit Flüchtlingen und ausländischen Straftätern beschworen, wobei sich einige Argumente der CDU nur durch die geschliffenere Rhetorik von denen der „Republikaner“ unterschieden. Der Antrag der CDU, die Weisung zurückzunehmen, wurde von der SPD/AL-Mehrheit abgelehnt. Die CDU will nun eine Sondersitzung des Parlaments beantragen. Die Aufforderung der CDU, ehemals straffällige Ausländer mit einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten ab sofort grundsätzlich abzuschieben, bezeichnete die AL-Abgeordnete Renate Künast als „verfassungswidrig“.
Die Weisung, die den Abschiebeschutz für zahlreiche Ausländer in Berlin absichert, stehe „im Widerspruch zum Interesse aller Berliner“, erklärte der CDU-Abgeordnete Diepgen, wobei er allerdings regen Widerspruch aus dem Zuschauerraum erntete. Der Senat verwandele Berlin in ein „Einwanderungsland“ und erhöhe damit die „erheblichen sozialen Spannungen hier in der Stadt“. Dabei kam dem ehemaligen Bürgermeister gelegen, daß der SPD-Abgeordnete Lorenz vorschlug, einige Formulierung der Weisung „noch mal zu überdenken“ und dazu eine Gesprächsrunde von SPD, CDU und AL zu bilden.
SPD und AL beschuldigten die CDU mangels konstruktiver Oppositionspolitik, auf dem Rücken von Minderheiten eine „Angst- und Hetzkampagne“ zu starten. Der SPD-Abgeordnete Barthel betonte, endlich werde der Zustand der Unsicherheit für die Ausländer und Flüchtlinge, die sich bislang mit einer zeitlich begrenzten Duldung begnügen mußten, beendet.
Die AL nutzte die Sondersitzung zur Anhörung von Experten, darunter auch des Gefängnispfarrers der Jugendstrafanstalt Plötzensee, Michael Popke. Er begrüßte die Neuregelung des Innensenators besonders in bezug auf ehemalige Straftäter, die nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen eine „Duldung auf Bewährung“ erhalten können. Offensichtlich in Anspielung auf die Argumente von den Oppositionsbänken bezeichnete es Popke als „kriminell, straffälligen Ausländern zu unterstellen, daß sie ihre Leben lang kriminell bleiben werden“.
Knapp an der Grenze der Illegalität bewegte sich der CDU -Abgeordnete Ekkehard Wruck, der es gleich im voraus für rechtmäßig erklärte, wenn sich Beamte der Ausländerbehörden nicht an die Neuregelung hielten. Politiker der AL äußerten nach der Sitzung die Befürchtung, die „Angstkampagne“ der CDU sei erst ein Vorgeschmack auf die im Herbst zu erwartende Debatte über den neuen Ausländererlaß und das kommunale Wahlrecht für AusländerInnen.
anb
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