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Saarlouis: Durcheinander um „Sozialrepublikaner“

Die SPD von Saarlouis verschafft sich die absolute Mehrheit - nach dem reuigen SPD-REP Wolf hilft ihr dabei jetzt auch ein Grüner / War Lafontaine informiert?  ■  Aus Saarlouis Hans Thomas

Dem Mann, um den sich am Dienstag nachmittag in Saarlouis alles drehte, war der Rummel um seine Person offenbar ungeheuer peinlich. Tief in seinen Sessel gedrückt, verfolgte der 37jährige Rüdiger Wolf die konstituierende Sitzung des Saarlouiser Stadtrates, in den er als Sozialdemokrat über die Liste der rechtsradikalen „Republikaner“ eingezogen ist. Der langjährige Sozialdemokrat aus einem Vorort des saarländischen Provinzstädtchens hat es geschafft, die saarländische Parteienwelt durcheinanderzuwirbeln und die Lafontaine-SPD in Erklärungsnot zu bringen.

Wolf, seit 16 Jahren in der SPD, „weil diese Partei für Frieden und Gerechtigkeit ist“, hatte sich nach kurzem Studium des REP-Programms entschlossen, bei der Kommunalwahl am 18.Juni auf dem Ticket der Schönhuber-Partei in den Stadtrat zu reisen. Von Parolen wie „Ablehnung der unsozialen Steuerreform“ und gegen das französische AKW Cattenom habe er sich angesprochen gefühlt, erklärte das „braune Schaf der SPD“, wie ein Genosse ihn nennt. Aber auch Forderungen nach einer Einschränkung des „Asylmißbrauchs“ sprechen ihn nach wie vor an, wie er der taz bestätigt. Als die SPD - kurz vor der Wahl - von dem REP-Trip Wolfs erfuhr, forderte sie ihn auf, die Partei zu verlassen oder die REP -Kandidatur zurückzuziehen. Dazu war es allerdings zu spät, und so zog der Wolf im REP-Pelz in das Stadtparlament ein. Gegen das Murren der Partei-Basis hatten die Genossen bis in die letzte Woche hinein versucht, „den reuigen Sünder“ in die Fraktion aufzunehmen.

Der Hintergrund: Gemeinsam mit der Stimme Wolfs fehlte den Genossen nur noch ein Sitz zur absoluten Mehrheit. Und wo der herkommen sollte, erfuhr die Öffentlichkeit am Dienstag. Ein Mitglied der zweiköpfigen Grünen-Fraktion, Heinz Blatter, erklärte vor dem Rat, er werde sich nicht mehr an Parteibeschlüsse halten - prompt wurde er mit der Mehrheit der SPD-Stimmen in den wichtigen Haupt- und Finanzausschuß gewählt. Gegen Blatter beschlossen die Grünen mittlerweile ein Ausschlußverfahren.

Zwar hat die SPD mittlerweile auf „massiven Druck der Basis“, wie SPD-Stadtverbandschef Gruschke einräumt, eine förmliche Aufnahme Wolfs in ihre Fraktion abgelehnt, für ein Parteiausschlußverfahren sieht SPD-Fraktionschef Wilhelm Silvanus aber „persönlich“ nach wie vor keinen Anlaß.

Neben der SPD-Basis, die auf die SPD-REP-Kungelei mit wütenden Protesten reagiert hatte, betrieb auch noch ein anderer massiv den Fraktionsausschluß Wolfs - zur eigenen Schadensbegrenzung: SPD-Landeschef Lafontaine sei „in die Entscheidung eingebunden“ gewesen, stapelt Silvanus tief. Zu spät habe Lafontaine ein Machtwort gesprochen, monieren führende SPDler.

Rücktrittsforderungen gibt es mittlerweile vor allem gegen Gruschke, von dem - er ist rechtspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion - mehr Gespür für die Brisanz der Affäre erwartet wurde. Doch Gruschke baut vor. Schon als es um die Aufnahme Wolfs in die SPD-Fraktion ging, habe er „die Partei auf Landesebene“ informiert, sagte er der taz. Von der Parteispitze sei daraufhin kein Abbruch des Unterfangens signalisiert worden. Auch die Grünen halten die Affäre mittlerweile für eine Lafontaine-Panne. „Unmöglich, daß Oskar nicht von vornherein in die Entscheidungen unmittelbar eingeschaltet war, so unübersichtlich ist nicht einmal die saarländische SPD“, meint ein Grüner.

Wo Wolf, der als Fraktionsloser sein Mandat wahrnehmen will, in Zukunft seine politische Heimat sieht, will er noch nicht verraten. Bei den ersten Abstimmungen des Rats hob Genosse Wolf am Dienstag immer die Hand für die SPD. Und wie selbstverständlich hatte der Fraktionslose in den Reihen der SPD Platz genommen.

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