: Vorsicht vor Methadon
■ Senat hat recht: Entgleiste Programme a la Amsterdam und Zürich verhindern
Die Methadon-Diskussion der letzten Tage und Wochen ließ wieder einmal den fälschlichen und gefährlichen Eindruck entstehen, alle Probleme im Zusamenhang mit Drogenabhängigkeit, insbesondere die zunehmende Verelendung und das Sterberisiko vieler Junkies seien entwemit oder behauptet durch das „andere Lager“ - ohne das synthetische Opiat Polamidon lösbar. Die Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheit in der SPD warnt zum wiederholten Male vor gefährlichen Vereinfachungen und monokausalen Reduzierungen. Schnelle „Lösungen“ werden dem Problem Drogenabhängigkeit in keiner Weise gerecht. Hier gilt es, die Komplexität der Zusammenhänge zu erkennen und die prioritären Ziele möglicher Abhilfe nicht aus den Augen zu verlieren.
Solange in Bremen ca. 100 Heroinabhängige keinen Wohnraum haben, viele von ihnen sich nicht ausreichend ernährend können bzw. minimale menschliche Bedürfnisse (Kleidung, medizinische Baisisversorgung, Körperhygiene, Übernachtung) nicht befriedigt werden, solange die Unterbringungsverhältnisse im Gefängnis Oslebshausen (Konzentration der Drogenabhängigen, räumliche Enge, mangelnde medizinische und psychosoziale Betreuung) zu beklagen sind, solange es kein vernünftiges Konzept gemeindenaher Drogenarbeit für die Region Bremen gibt und solange sinnvolle Strategien der Drogenprävention nur in Ansätzen vorhanden sind, halten wir die verkürzte Diskussion um pro und contra Methadon für inhaltlich falsch und politisch gefährlich. Wir unterstützen die kritische Haltung des Senatss. Bei allen Beteiligten unstrittig ist, der Katalog medizinischer Indikationen bei schweren körperlichen Erkrankungen. Darüberhinaus ist Vorsicht geboten!
Trotzdem muß über die Möglichkeit nachgedacht werden, ob im Einzelfall - auf der Basis von Hilflosigkeit der/des Betroffenen und der Therapeuten - Methadon eine befristete Stütze sein kann. In diesem Fall kann die Entscheidung jedoch nicht allein vom behandelnden Arzt herbeigeführt werden. Hier bedarf es der Einrichtung einer Kommission aus Ärzten, Therapeuten und Ex-Drogenabhängigen, um auch aus ethischen Überlegungen heraus der Komplexität der Problematik gerecht zu werden und die beste „Lösung“ zu finden. Nur so können unkritische, zum Teil entgleiste Methadon-Programme a la Amstersam und Zürich verhindert und der genaue Bedarf der Betroffenen analysiert werden.
Dr. Zenker, 1. Vorsitzender der sozialdemokratischen Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheit
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