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Genscher: Waigel gefährdet Koalition

Außenminister: Warschauer Vertrag ist Grundlage der Polenpolitik der schwarz-gelben Koalition  ■  Aus Bonn Ferdos Forudastan

Ulf Fink, Vorsitzender der CDU-Sozialausschüsse, reist noch in diesem Jahr nach Polen. Und Bundesaußenminister Hans Dietrich Genscher droht in einem Interview mit dem 'Stern‘, daß die Debatte um die polnische Westgrenze den Koalitionsfrieden gefährdet. Die Reaktionen auf die von CSU -Chef Waigel entfachte Grenzdiskussion und darauf, daß Kohl seine Polenreise verschoben hat, reißen nicht ab.

Hinter dem Schild „deutsch-polnisches Verhältnis“ schwelt die infolge des Erstarkens der „Republikaner“ wieder heftigere Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Flügeln in der Union weiter. Und die FDP regt sie wieder einmal zum Nachdenken über den besseren Koalitionspartner an. „Ich muß mit allem Ernst sagen, daß die verantwortliche Gestaltung des deutsch-polnischen Verhältnisses und die uneingeschränkte Beachtung des Warschauer Vertrages nach Buchstaben und Sinn Grundlage und Kern jeder Zusammenarbeit in einer Regierung betreffen, an der die FDP beteiligt ist“, sagte Genscher in dem Interview. Und auch Ulf Fink wurde gestern vor Journalisten in Bonn recht deutlich. Zwar sehe die CDA davon ab, der Bundesregierung wegen des beabsichtigten Besuchs des Bundeskanzlers in Polen Empfehlungen zu erteilen. Dennoch schien er genau dies zu wollen, indem Fink die Gründe Kohls für das Verschieben seiner Reise anscheinend in Zweifel zog: Die berechtigten Wünsche der Bundesregierung zugunsten der deutschen Minderheit in Polen sowie realistische Voraussetzungen für eine ökonomische Zusammenarbeit widersprächen nicht der Aufgabe der Bundesregierung, ein „Zeichen des Bewußtseins ihrer geschichtlichen Verantwortung zu setzen und einen sichtbaren Schritt auf die polnische Nation zuzugehen“. Überdies dürfe das Jahr 1989 nicht enden, ohne daß ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen den Polen und den Deutschen aufgeschlagen werde. Die Grenzdebatte bezeichnete der CDA-Vorsitzende als „höchst überflüssig“. Dem „Versöhnungsgebot“ müßten die unterschiedlichen Rechtsstandpunkte untergeordnet werden. Fink ist der zweite prominente Unionspolitiker, der nach dem Gezerre um die Kanzlerreise einen Besuch in Warschau noch für dieses Jahr angekündigt hat. Letzte Woche kündigte Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth an, sie werde nach Polen reisen, entgegen anderslautenden Meldungen jedoch nicht zum 1.September, sondern „in Abstimmung mit dem Kanzler“. Dementiert wurde auch, daß eine Bundestagsdelegation anläßlich des 50.Jahrestages des deutschen Überfalls auf Polen Warschau besuchen wird. Allerdings halten sich in Bonn die Gerüchte über das Zustandekommen einer solchen Reise hartnäckig.

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