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„RTL plus“ als dritter Wimbledon-Sieger

■ Chefredakteur Lesche: „Kühnste Erwartungen übertroffen“ / Der Kabelboom geht nach dem Doppelsieg weiter / Fast 20 Prozent mehr Aufträge in Wuppertal / BremerInnen hatten Glück: Terrestrischer Betriebsversuch mit RTL endet erst in dieser Woche

Berlin (taz)- „Hochzufrieden? Ach was! Höchstzufrieden!“ Für Hansgert Eschweiler, Pressesprecher bei RTL plus, war der Sonntag der erfolgreichste Tag des Privatfernsehens in der BRD. Eschweiler: „Es waren die mit Abstand größten Reichweiten, die je ein privater Sender erzielt hat.“ Chefredakteur Dieter Lesche legt sogar noch eins drauf: „Die kühnsten Erwartungen wurden weit übertroffen. Wir haben uns auch für die nächsten Jahre als Wimbledon-Sender etabliert.“ Und, was die Verkabelung angeht, als dritter Wimbledon -Sieger.

Denn das Endspiel Graf/Navratilova sahen durchschnittlich 5,06 Millionen ZuschauerInnen, das Becker/Edberg-Finale trieb 6,08 und in Spitzenzeiten sogar 7,2 Millionen Neugierige vor die Mattscheibe. In 16 Prozent aller bundesdeutschen Haushalte dominierte am Sonntag das britische Rasengrün - mit nachhaltigen Folgen nicht nur für die Werbeeinnahmen in der Zukunft, sondern auch für die Nachfrage nach Neuanschlüssen. „Was besseres konnten ARD und ZDF gar nicht machen, als sich so stur zu stellen“, freut sich Dietmar Schickel, Geschäftsführer der Kabel-Service Berlin. Die Nachfrage nach Verkabelung sei so sehr in die Höhe gegangen, daß die Firma, die mit der Post kooperiert, mit der Erledigung der Wimbledon-bedingten Aufträge nicht nachkam. Selbst am Montag nach den Spielen meldeten sich noch „deutlich“ mehr Anschlußwillige als üblich. Auch Karl Lutz, Pressesprecher des Fernmeldeamtes Wuppertal, sieht einen „enormen“ Anstieg. Dort waren auch erste Zahlen zu erfahren: In den ersten zehn Juli-Tagen sind dort 214 Anträge eingegangen - trotz Haupturlaubszeit fast 20 Prozent mehr als im Mai.

Wuppertal liegt im Trend: Quer durch das Bundesgebiet, allerdings noch ohne Zahlenangaben, melden die Oberpostdirektionen und die privaten Anschlußgesellschaften einen Kabelboom und einen Stimmungsumschwung gegen die Öffentlich-Rechtlichen, die das Publikum schwer vergrätzt haben. Die zusätzliche Nachfrage, so ein Sprecher der OPD Stuttgart, käme dabei zwar auch aus den bereits verkabelten Gebieten, vorwiegend aber aus den Regionen, in denen die Kupferader noch nicht unter dem Bürgersteig liegt. Sie kommt damit nicht nur RTL plus, sondern auch dem Konkurrenten Sat1 und kleineren Kabelsendern zugute. Da hat Wimbledon einen ebenso nachhaltigen Akzeptanzsschub verursacht, wie ihn etwa auch die Olympischen Spiele von 1972 in München für die Farbfernseherindustrie besorgte.

Ausnahme vom Kabeltrend scheint allerdings das Stadtgebiet von Stuttgart zu sein: dort war kein Boom zu bemerken. Eine Erklärung dafür war beim örtlichen Monopolisten „Kabel -Fernsehen Stuttgart“, über den alle Aufträge an die Post gehen, nicht zu erfahren. „Die Leute haben es erst gemerkt, als es zu spät war“, spekuliert KFS-Sprecher Staude. Eine der KFS-Beraterinnen war allerdings ganz gerührt: Weil sie die verkabelten Fernsehgeräte im Info-Center auf RTL eingestellt hatte, brachte ihr am Montagmorgen einer der fünfzig Tennis-Fans, die den Tag vor der Schaufensterscheibe zugebracht hatten, ein Präsent vorbei.

Viele wußten sich noch anders zu helfen. Mit ein bißchen Fingerspitzengefühl bei der Ausrichtung der Antenne waren die Soldatensender BFBS und AFN zu empfangen, die die Spiele ganz oder in längeren Ausschnitten übertrugen. Und in Bremen hatten die auf eine Antenne angewiesenen Graf- und Becker -Fans schlichtweg Glück: Dort endet erst in dieser Woche ein dreimonatiger Betriebsversuch mit der terrestrischen Ausstrahlung von RTL plus, dem drei Monate mit Sat1 vorausgegangen waren. Beide Sender bewerben sich jetzt bei der Landesmedienanstalt Bremen für die eine bislang unbelegte Frequenz - mit leichtem Vorteil für Sat1. Auf Steffi und die anderen Stars brauchen die BremerInnen dennoch nicht zu verzichten, wenn der Privatsender aus Mainz und nicht RTL aus Köln den Zuschlag erhalten sollte: Sat1 besitzt die Exklusiv-Übertragungsrechte für das Masters -Turnier, den Federation Cup, die Auslandsspiele im Davis -Cup, die US-Open und den Youth-Cup.

diba

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