Hafenstraßendemo zur Windjammerparade

Gegen das Räumungsszenario der Hafenstraße / Konflikt mittlerweile auf allen Ebenen / Senat erlitt gerichtlich Schiffbruch / Politische Unterstützung für Voscheraus Räumungskurs bröckelt jedoch, aber auch die Sympathie für die Hafensträßler schwand  ■  Aus Hamburg Kai von Appen

Mit einer Großdemonstration inmitten der Hafengeburtstags -Jammerparade Sail 89 wollen die BewohnerInnen und der „Initiativkreis für den Erhalt der Hafenstraße“ am Samstag gegen die Räumungsabsichten des Hamburger Senats mobil machen. Rund 10.000 TeilnehmerInnen aus der gesamten Bundesrepublik werden zu dem Protestmarsch von der City zum Hafenrand erwartet, der an der Elbpromenade auf die Sail -Fans stoßen wird.

Seit der Kündigung des sogenannten „Pachtvertrags“ und der gewaltsamen polizeilichen Räumung der Bauwagenburg Ende Mai hat sich der Konflikt auf politischer, gerichtlicher und polizeilicher Ebene zugespitzt. Nachdem die Pläne, die Häuser mittels des Polizeigesetzes stürmen, räumen und abreißen zu können, endgültig begraben sind und auch das mittlerweile ausgebliebene Autoknacken nicht mehr Anlaß zu Verfolgungsjagden vor den Häusern bietet, ersetzt Sticheln das Klotzen. Vor allem Zivilfahnder provozieren fast wöchentlich kleinere Auseinandersetzungen. So postierten sich kürzlich drei bekannte „Zivis“ vor der Hafenstraßenkneipe „Onkel Otto“. Als sie verbal attackiert wurden, zogen sie ihre Pistolen, worauf sich die BewohnerInnen Richtung Hafen zurückzogen - bis auf eine junge Frau, die ins Störtebeker-Zentrum wollte. Innerhalb weniger Sekunden waren zahlreiche Zivilfahnderfahrzeuge aufgefahren, deren Insassen die Frau mit Knüppeln verprügelten, bis sie regungslos liegenblieb. Dann verschwanden sie.

Als vor kurzem zwei Männer vorm Störtebeker-Zentrum mit Bolzenschneidern Fahrradschlösser zu knacken begannn, wurden sie von den BewohnerInnen mit Fäusten traktiert. Wiederum waren zahlreiche Zivilfahnder zur Stelle, um den beiden Männern - die sich als „Republikaner„-Anhänger zu erkennen gaben - zu Hilfe zu eilen.

Vor Gericht hatten die fleißigen Vorstöße der Verwaltungsgesellschaft „Hafenrand GmbH“ bisher wenig Erfolg. Der Pachtvertrag für die Häuser war Ende April gekündigt worden. In der letzten Woche stellte das Landgericht Hamburg fest, daß die Pachtvertragskündigung von Geschäftsführer Dirksen mit dem BewohnerInnenverein Hafenstraße unzulässig war und der Vertrag demzufolge noch in Kraft sei. Das Gericht vertrat nämlich die Auffassung, daß es sich bei dem Nutzungsabkommen nicht um einen „Mietvertrag“ handelt. Auch Dirksens Versuch, eine schnelle Räumung über eine 1987 ausgestellte Unbewohnbarkeitserklärung für den sogenannten „Sechserblock“ durchzusetzen, erklärte das Gericht für rechtswidrig - eine schallende Ohrfeige für Voscheraus Räumungsapostel. Jetzt hat die Hafenrand-Gesellschaft den Stromvertrag mit drei Häusern zum 31.Juli wegen Stromdiebstahls gekündigt. Für zukünftigen Stromdiebstahl will die Gesellschaft den Hamburger Elektrizitätswerken gegenüber einstehen. Bewohner, die ihren Strom nicht bezahlen, sollen ab 1.September von der Leitung abgehängt werden.

Obwohl Bürgermeister Voscherau seine Regierungskoalition auf Räumung eingeschworen hat, bröckelt es - nicht zuletzt aufgrund der neuen Urteile - an der Politikfront. So mußte kürzlich Hamburgs SPD-Chefin Traute Müller zum Vorstandsrapport, weil sie sich in einem Interview gegen Voscheraus Räumungsszenario ausgesprochen hatte. Die Jungsozialisten, die im „Inikreis Hafenstraße“ mitarbeiten, wurden bei dieser Vorstandssitzung zum ersten Mal in der Geschichte des Hamburger Sozis des Saales verwiesen.

Diese Widersprüche im Regierungslager wollen die UnterstützerInnen der BewohnerInnen jetzt nutzen, um in der Öffentlichkeit einen Stimmungsumschwung zu erreichen. Denn auch im Unterstützerlager hatte es in den letzten Monaten gebröckelt. Vor allem das Autoknacken, das Nichtverhalten der BewohnerInnen zu öffentlichen Angriffen und zuletzt die schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei hatten gerade im rot-grünen Prominentenlager Unverständnis ausgelöst. Inzwischen hat es aber zahlreiche interne und öffentliche Diskussionen über diese Punkte gegeben. Mit der für Samstag geplanten Großdemonstration (11 Uhr, Petri-Kirche) geht das Unterstützerbündnis erstmals wieder auf die Straße. Diese Demonstration ist auch ein Test dafür, mit wieviel Widerstand Voscherau bei seiner zukünftigen Hafenstraßen -Räumungspolitik zu rechnen hat.