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Sportlehrer für rot-grünen Senat gesucht

■ Beim Schorfenberger Prominentenschwimmen stürzten sich gestern Walter Momper, Sybille Volkholz und Norbert Meisner für den Senat in die Fluten / Der Finanzsenator wurde erster, der Regierungschef machte nach 150 Metern schlapp

„Mein Gott, Walter“, war der Direktor der Schulfarm Insel Scharfenberg richtiggehend erleichert, als er den Regierenden Bürgermeister Walter Momper am gegenüberliegenden Ufer aus seiner Dienstlimousine klettern sah. Eine knappe halbe Stunde hatte das Empfangskomitee auf den Regierenden gewartet, der beim diesjährigen Prominentenschwimmen zusammen mit der Schulsenatorin Volkholz und dem Finanzsenator Meisner für den rot-grünen Senat ins Wasser gehen sollte. Während der übrige Senatstroß sich rechtzeitig zum 8-Uhr-Fototermin auf der Insel eingefunden hatte, erschien Walter Momper als letzter. Die Hände tief in den Taschen seiner grünen Jogginghose, an den Füßen Turnschuhe, ließ er sich, breitbeinig mitten auf der Fähre stehend, in aller Seelenruhe zur Schulfarm hinüberschippern. „Mann, der is‘ ja voll gut drauf“, konnte ein Schüler den Anblick nicht fassen. „Ich hätte mein Hammer -und-Sichel-T-Shirt anziehen sollen“, fiel einem anderen zu spät ein, daß er dem Regierenden damit diskret hätte signalisieren können, daß die Insel „links“ ist.

Eigentlich ging es gestern auf Scharfenberg um etwas ganz anderes: Das alljährliche Langstreckenschwimmen der Berliner Schulen fand statt. 2.500 Schüler und Schülerinnen hatten sich diesmal für die Teilnahme angemeldet. Für die Grundschüler ist eine Schwimmstrecke von 550 Metern vergesehen, für die 7. bis 10. Klasse 1.500 Meter und für alle darüber 2.500 Meter, was einmal rund um die Insel ist die Fährstrecke ausgenommen. Senatsvertreter waren zur Eröffnung in all den Jahren zuvor nur einmal zu sozialliberalen Regierungszeiten eingeladen worden. Aber außer dem damaligen Schulsenator Rasch (FDP) war niemand erschienen.

Eine Stunde vor dem Anpfiff für die Schüler ließen sich dafür gestern gleich ein rot-grüner Regierungschef, eine Schulsenatorin und ihr Sportstaatssekretär, ein Finanzsenator, eine Senatssprecherin und ein -sprecher sowie mehrere Schulräte zu Wasser, um die Prominentenstrecke von 550 Metern - gleich Grundschülerstrecke - anzutreten. „Wer hier durchhält, der kann auch lange Strecken in der Politik durchhalten“ und: „Wir werden uns freischwimmen“, verkündete Walter Momper vollmundig, bevor er sich als letzter in die Tegeler Fluten stürzte. Ganze 150 Meter hielt er durch, dann ließ er sich auf ein Polizeischlauchboot ziehen. Auf die Frage, warum er schlapp gemacht habe, sagte er feixend: „Ich habe nur unterbrochen“, verriet aber dann, daß er seinen beleibten Körper das letzte Mal im Dezember in ein Schwimmbad getaucht hatte. „Warum soll ich mich quälen“, fragte der Regierungsgschef, der in seinem grünen Bademantel schon eine Weile mit einem Strohhalm an seiner Milchtüte genuckelt hatte, als Norbert Meisner als erster mit einer Zeit von 14,56 Minuten ins Ziel geschossen kam. „Jeder Senat braucht einen Leistungsträger, der erste muß der Finanzsenator sein“, wurde er von Walter Momper mit einem Schulterklopfen begrüßt. Später kam die Schulsenatorin unter lauten Anfeuerungsrufen „Volkholz, Volkholz“ ans Ufer gewankt. Den Journalisten verriet sie, Meisner unterwegs ein paar Lehrerstellen abgehandelt zu haben, als Belohnung, wenn sie es schaffe. Da klingelten bei einem Scharfenberger Lehrer sofort die Ohren: „Wir brauchen dringend einen Sportlehrer.“ Walter Momper hielt ganz trocken dagegen: „Aber eher einen für den Senat.“

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