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EG-Kommission ist sich über EAG-Entwurf einig

Europäische Aktiengesellschaft läßt unterschiedliche Mitbestimmungsregelungen zu Steuervorteile für grenzüberschreitende Unternehmen / Keine Zwangsharmonisierung  ■  Aus Brüssel H. Hörburger

In Brüssel gingen am Mittwoch 20 Jahre Arbeit zu Ende. So lange hat die EG-Kommission gebraucht, um sich auf einen mehrheitsfähigen Vorschlag für eine Europäische Aktiengesellschaft (EAG) zu einigen, den ein offensichtlich zufriedener Martin Bangemann dann noch am Nachmittag der Presse bekanntgab.

Das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft, wie es von der Kommission jetzt angenommen ist und dem Ministerrat und dem Europaparlament vorgeschlagen wird, ist eine zusätzliche Option neben den bisherigen nationalen Regelungen. Die jeweiligen Vorschriften für Aktiengesellschaften werden also nicht außer Kraft gesetzt; die Unternehmen werden frei entscheiden dürfen, welches Statut ihnen die meisten Vorzüge bietet. Der Sitz der EAG muß in einem Mitgliedsland der EG sein. Europäische Aktiengesellschaften werden mit anderen europäischen Aktiengesellschaften, aber auch mit Aktiengesellschaften nach traditionellem nationalem Recht fusionieren können.

Ganz entscheidend war die Frage des Kapitaleinsatzes. Die Kommission hat hier das Mindestkapital bewußt niedriger angesetzt, damit auch kleine und mittlere Unternehmen (im EG -Amtskürzel die KMUs) ebenfalls von der Möglichkeit einer EG -europaweiten Fusion profitieren können. Das Mindestkapital beträgt 100.000 ECU, das sind etwa 200.000 Mark. Falls eine EAG Betriebsstätten unterhält, die Verluste machen, dann können diese Verluste in dem Land, in dem die EAG ihren Sitz hat, steuerlich abgesetzt werden. Damit soll diese Rechtsform für Unternehmen steuerliche Anreize bieten und ihnen der europäische Aspekt einer Fusion schmackhaft gemacht werden, ein Element, das sicherlich auf harten Widerstand der EG-Finanzminister stoßen wird.

Bisheriges Haupthindernis in der politischen Diskussion um die EAG waren die Mitsprachemöglichkeiten der ArbeitnehmerInnen. Folglich nehmen sie auch im Entwurf einen zentralen Platz ein. Hier läßt das Statut mehrere Optionen nebeneinander bestehen. Es sieht die folgenden Modelle vor:

1. Beteiligung der Beschäftigten an den vorhandenen Organen eines Unternehmens, also entweder Vorstand oder Aufsichtsrat, je nach der eigenen nationalen Gesetzgebung;

2. die Einrichtung eines eigenen ArbeitnehmerInnen -Vertretungsorgans wie zum Beispiel die deutschen Betriebsräte;

3. andere Modelle, die durch Verhandlungen zustande kommen.

An und für sich haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam, also in Verhandlungen, das Recht, sich eine der Optionen auszusuchen. Die Mitgliedsländer haben aber auch die rechtliche Möglichkeit, die Optionen auf eine oder zwei einzuschränken. So kann die BRD die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes für das einzig zulässige Modell der ArbeitnehmerInnenvertretung auf bundesdeutschem Boden erklären - und wird dies aller Voraussicht auch tun.

Diese Form des Statuts kann auch richtungsweisend für das künftige Vorgehen der Kommission sein. Es gibt einen großen europäischen Gesamtrahmen, der aber genügend Raum für nationale Eigenheiten und nationale politische Kultur läßt. Die Kommission wird wohl wissen, welchen Präzedenzfall sie hier schafft, denn die Rechtsgrundlage des EAG-Statuts war praktisch bis zur letzten Minute umstritten.

Frühere Überlegungen gingen davon aus, die EAG auf die Grundlage von Artikel 235 des EWG-Vertrages zu stützen. Dieser Artikel ermöglicht Vorschriften für unvorhergesehene Fälle, für die allerdings im Ministerrat eine Einstimmigkeit gefordert gewesen wäre. Die Rechtsgrundlage für die EAG werden nunmehr Artikel 100a und 54 sein. Bei Artikel 54 geht es um ein Programm, das die Aufhebung von Beschränkungen vor allem im Bereich der Niederlassungsfreiheit fordert. Artikel 100a bestimmt das Rechtsverfahren bei Binnenmarktsentscheidungen: Weil die EAG nach Auffassung der Kommission ein wesentlicher Bestandteil der Integration ist, wird dadurch die Beteiligung des Europaparlaments am weiteren Gesetzgebungsverfahren erlaubt. Der Ministerrat kann das EAG-Statut zugleich mit einer qualifizierten Mehrheit annehmen.

Während Ministerrat und Europaparlament sich noch in zeitraubendem Verfahren mit den Details der 150 EAG -Paragraphen herumschlagen müssen, hat sich die Kommission gegen eine zwangsweise Harmonisierung entschieden. Wenn dieses Verfahren die Lehre für künftige Vorhaben ist, wären 20 Jahre Warten auf die Lösung eines Problems, das nicht zu den ganz großen der Debatte um 1992 gehört, nicht zu viel gewesen.

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