Herr Doktor, sind Sie des Bossle?

Kritik an Würzburger „Doktorfabrik“ reißt nicht ab / Landtag beschäftigt sich zum wiederholten Mal mit „Fall Bossle“ / Der umstrittene CSU-Professor gab die Leitung seines Instituts ab - an Heinrich Lummer, jawoll!  ■  Aus München Luitgard Koch

„Die Welt der Geheimdienste - ein soziologischer Vergleich“

-mit diesem Thema promovierte der indonesische Geheimdienstgeneral Ahmad C. Manullang in der Würzburger „Doktorschmiede“ des umstrittenen Soziologieprofessor Lothar Bossle. Daß der General der deutschen Sprache kaum mächtig war, tat nichts zur Sache: Gegen eine „Schutzgebühr“ von 65.000 Mark griff eine ABM-Kraft des Bossle-„Instituts für Demokratieforschunge.V.“ zur Feder.

An seinem dubiosen Institut beschäftigte Bossle neben dem ehemaligen MAD-Generalmajor Komossa auch zwei griechische Junta-Generäle als Lehraufbetragte. Außerdem verhalf Bossle dem Chef der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, Heinrich Franke, zu einem Nebenjob als Lehrbeauftragter an der Würzbuger Uni - obwohl Franke ein abgeschlossenes Hochschulstudium fehlte und seine Tätigkeit zudem erst vom Ministerium hätte genehmigt werden müssen. Als Gastdozent trat auch Bossles Spezi Prinz Albert Herzog zu Sachsen in Erscheinung. Einen weiteren Lehrauftrag trug der rechtslastige CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Graf Huyn davon.

In die Schlagzeilen geriet die „Doktorfabrik“ erstmals im November 1988. Ärger hatte es jedoch schon gegeben, als Bossle 1977 von Franz Josef Strauß in Würzburg als Soziologieprofessor zwangseingesetzt wurde. 600 Studenten protestierten damals, und auch innerhalb der Dozentenschaft war niemand recht begeistert. Inzwischen hat Bossle die Leitung seines erzkonservativen Instituts abgegeben - was keineswegs das „Eingeständnis eines fehlerhaften Verhaltens“ sei. Nachfolger wurde der ehemalige Berliner Innensenator Heinrich Lummer. Nach wie vor sitzen im Vorstand neben dem ehemaligen Bundeswohnungsbauminister Oscar Schneider (CSU) auch die beiden unterfränkischen CSU-Staatssekretäre Albert Meyer und Heinz Rosenbauer. Und auch die Referentenliste liest sich wie der „Gotha der CSU“.

Bei Bossle promovierte beispielsweise ARD-„Wetterfrosch“ Lothar Thöne mit einem rechtslastigen Heimatthema. Der Pressesprecher einer Antennenfabrik erhielt den Doktortitel für eine Hetztirade gegen Anarchismus. Nebenbei wurden derartige Pamphlete dann gleichzeitig in Bossles „Creator -Verlag“ veröffentlicht. Manche Bossle-Studenten bekamen ihren Doktortitel vorzeitig, weil sie einen Vertrag über die Veröffentlichung ihrer Dissertation vorlegen konnten. Daß er Geschäfte mit seinem Verlag mache, bestreitet Bossle allerdings energisch.

Doch selbst der ehemalige bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Wild mußte vor dem Landtag zugeben, daß in der Doktorfabrik nicht immer alles seine Ordnung hatte. Von 24 seit 1978 durchgeführten Promotionsverfahren wurde nur in einem einzigen Fall das nötige Zweitgutachten ebenfalls von einem Soziologen erstellt. Die übrigen Zweitgutachten stammten von Professoren anderer Fächer, sogar überwiegend anderer Fakultäten. „Ein ganz schöner Saustall beim Promotionsverfahren“, empörte sich dann auch der SPD -Abgeordnete Heinz Kaiser im kulturpolitischen Ausschuß des Landtags. Bereits zum zweiten Mal beschäftigte sich der Ausschuß am vergangenen Donnerstag mit dem „Fall Bossle“. Die Trockenlegung des „Sumpfs“ wird jedoch noch auf sich warten lassen. Im Herbst soll das Wissenschaftsministerium dem Ausschuß einen weiteren Bericht vorlegen.

Inzwischen bangt sogar die CSU um den Ruf der ehrwürdigen Würzburger Universität. „Meine Promotion beweist, daß dort noch qualifiziert promoviert werden kann“, bemühte sich der CSU-Landtagsabgeordnete Eykmann - gerade zu Doktorehren gekommen - um Eigenlob. Strauß-Sohn Franz Georg dagegen ist noch immer ohne Doktortitel. Der jüngste Straußsproß und Chef des Fernsehsenders TV Weiß-Blau konnte sich am Ende doch nicht dazu entschließen, bei Bossle zu promovieren. Geplant war das Thema „Soldatenwallfahrt nach Lourdes“.