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Mordkommando tötete Kurdenführer in Wien

■ Drei Teilnehmer eines Geheimtreffens mit Kopfschüssen ermordet / Verletzter hat iranischen Diplomatenpaß / Kurdenführer Ghassemlou unter den Opfern

Wien/Berlin (ap/taz) - Drei kurdische Politker sind am Donnerstag abend bei einem Geheimtreffen in Wien von einem Mordkommando regelrecht hingerichtet worden. Die Opfer, darunter Abdol Rahman Ghassemlou, der Generalsekretär der Kurdisch-Demokratischen Partei (KDP), wurden mit Kopfschüssen getötet, ein vierter Mann, ein Kurde mit einem iranischen Diplomatenpaß, wurde durch einen Schuß in den Mund schwer verletzt. Von den vermutlich zwei oder drei Tätern fehlte nach Angaben der Polizei vom Freitag noch jede Spur.

Der Leiter der für politische Delikte zuständigen Wiener Staatspolizei, Liebhart, teilte mit, daß neben dem 59jährigen Ghassemlou auch der 37jährige Kurde Abdullah Ghaderi-Azar, Europa-Vertreter der KDP, und der 38jährige irakische Kurde Fadel Mala Mahmoud Rasul erschossen wurden. Der Name des schwerverletzten Iraners wurde nicht mitgeteilt.

Nach dem Stand der polizeilichen Ermittlungen von Freitag mittag waren die Führer von mindestens zwei verschiedenen kurdischen Gruppierungen in der Wohnung im dritten Wiener Gemeindebezirk zusammengekommen. Mindestens vier Personen nahmen an dem Gespräch teil, über dessen Inhalt keine Informationen vorliegen. Offen bleibt daher zunächst, ob es sich um ein Geheimtreffen zwischen Kurdenführern und Vertretern der Teheraner Regierung handelte. In iranischen Kreisen in der Bundesrepublik hieß es, bereits Anfang März habe es ein solches Treffen im irakischen Teil Kurdistans gegeben, in einem Gebiet, das von einer mit Iran verbündetet irakischen Kurdenorganisation kontrolliert wird. Ghassemlou hatte sich in der Vergangenheit für eine politische Lösung des Kurdenproblems eingesetzt, ohne jedoch den bewaffneten Kampf gegen die Regierungstruppen einzustellen. Vor einigen Jahren spaltete sich eine radikalere Gruppe von der KDP ab, die mit den oppositionellen iranischen Volksmudschaheddin zusammenarbeitet.

Nach Angaben der Polizei waren am Donnerstagabend kurz vor 19.20 Uhr zwei oder drei unbekannte Personen in die Wohnung eingedrungen und hatten auf die Anwesenden das Feuer eröffnet. Während die drei Männer offenbar auf der Stelle tot waren, konnte der sich der Schwerverletzte auf die Straße retten. Auch soll es in der Wohnung nach Angaben der Polizei zum Kampf gekommen sein. Fortsetzung auf Seite 2

Porträt Seite 6

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Der schwerverletzte Iraner erhielt auf der Straße Hilfe von einem fünften Mann, der ihn abholen wollte. Bei diesem Mann, der von der Polizei noch verhört wurde, handelt es sich um einen Iraner, der sich als Kurde bezeichnete. Ihm übergab der Angeschossene einen Umschlag, der 9.000 Dollar in bar enthielt. In der Wohnung wurden zahlreiche Papiere, Kleidung und Schmuck beschlagnahmt. Außerdem wurde an einem vorerst nicht genannten Ort ein mit dem Verbrechen im Zusammenhang stehender Sprengsatz gefunden. Im Laufe der Nacht fand die Polizei an einer Ausfallstraße im sechsten Wiener Bezirk auch die mutmaßlichen Tatwaffen. In einem Müllcontainer auf der Straße und neben einer Mülltonne wurden zwei Pistolen mit Schalldämpfern sowie eine Maschinenpistole gefunden.

Nach den Worten Liebharts geht die Polizei von politischen Hintergründen aus. Nicht auszuschließen sei, daß es sich bei dem Treffen um eine Falle gehandelt habe. Allerdings gebe es keine konkreten Hinweise, da der einzige bekannte Tatzeuge

wegen der Mundverletzung nicht vernehmungsfähig sei. Liebhart sprach von „Hinweisen auf die möglichen Täter“, wollte jedoch keine Angaben machen. Die iranische Botschaft in Wien lehnte eine Stellungnahme zu dem Mordanschlag ab.

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