„Wir haben eine sehr stabile rot-grüne Mehrheit“

■ Interview mit Harald Hesse, erster grüner stellvertretender Landrat im Landkreis Verden und in Niedersachsen

Der 33jährige Lehramts-Refe rendar Harald Hesse ist der erste Grüne in Niedersachsen, der es zum stellvertretenden Landrat gebracht hat. Wie in der Gruppenvereinbarung zwischen SPD und Grünen im Landkreis Verden vor 2 1/2 Jahren vereinbart, mußte der bisherige Amtsinhaber aus den Reihen der SPD für Hesse Platz machen. Der Grüne bekamm bei der Wahl nicht nur die Stimmen seiner Partei und der SPD, auch die FDP wählte grün. Und selbst die CDU hatte nichts gegen Hesse: Sie enthielt sich der Stimme. Die taz fragte Hesse, was denn rot-grün in dem Landkreis vor den Toren Bremens so harmonsich regieren läßt.

taz: Was hat den so ein Landrat zu sagen?

Harald Hesse: Ein Landrat hat eigentlich nicht so viel zu sagen. Er

hat im wesentlichen den Landkreis bei Veranstaltungen zu vertreten, also zu repräsentieren.

Das muß ja ein besonderer Landkreis sein, wenn ein Grüner bereit ist, zu repräsentieren.

Wir haben es uns damals in der Gruppenvereinbarung mit der SPD schon überlegt, warum wir zweieinhalb Jahre abwarten wollten. Wir haben gesagt, wenn wir Inhalte der Gruppenvereinbarung in die Umsetzung reinbekommen, dann entscheiden wir. Jetzt haben wir entschieden: Es ist schon was zu repräsentieren.

Was denn?

Wir haben einiges umgesetzt im Bereich Frauenpolitik: einen Frauenförderplan, eine Frauenbeauftragte wurde eingestellt, ein Frauenhaus ist eröffnet worden und es bei Einstellungen sind Frauen stärker berücksichtigt

worden. Im Bereich Umwelt- und Naturschutz sind eine Reihe von Stellen beim Kreis dazugekommen und eine Reihe von Programmen: z.B. Ackerwildkräuterschutz, flächendeckend ökologischer Landbau mit Förderung von Einzelbetrieben.

Nun war aber doch auch ein Ziel, die Lieferung von Müll zur Müllverbrennungsanlage nach Bremerhaven einzuschränken, beziehungsweise zu stoppen.

Das ist richtig. Aber das haben wir in der Gruppenverhandlungen den Sozialdemokraten nicht abhandeln können. Die bestehen, und auch zu Recht, auf dem Vertrag, der noch 14 Jahre läuft, der allerdings die Möglichkeiten, Müll zu vermeiden und zu verwerten, erschwert, weil er finanziell so günstige Bedingungen für den Landkreis Verden hat. Es

scheint aber jetzt so, als wenn die SPD mittragen will, aus der Müllverbrennung auszusteigen. Dafür brauchen wir aber auf jeden Fall einen Deponiestandort im Kreis. Die Gruppe Ökologie aus Hannover hat den Auftrag, nach einem geeigneten Standort zu suchen.

Nun bist du nicht nur mit den Stimmen von SPD und Grünen gewählt woren, Du hast auch die Stimmen der FDP bekommen und die CDU hat sich enthalten. Machen die Grünen im Landkreis eine Politik, mit der sich sogar die CDU anfreunden kann?

Bei der CDU bemühen sich nur wenige um Kreispolitik. Die SPD und Grünen Gruppe erscheint nach außen so gefestigt, daß die sich manchmal gar nicht mehr Mühe geben, Themen zu bearbeiten.

Von rot-grünen Koalitionen

hört man oft, daß es gerade kriselt oder kracht. Wir kommt es, daß das in Verden offensichtlich anders ist?

Wir haben hier eine besondere Situation, weil wir einer Verwaltung gegenüberstehen, die 40 Jahre CDU-Politik hinter sich hat. Wir haben dann so eine Art Machtwechsel herbeigeführt. Das ist etwas ganz anderes, als wenn ich in einen früher SPD-geführten Landkreis als Grüner eindringe. Wie zum Beispiel in Osterholz, wo es rechnerisch auch eine rot-grüne Mehrheit gibt, die SPD aber sehr allergisch dagegen reagiert hat, die Macht mit den Grünen zu teilen.

Zweieinhalb Jahre Kreismacht, soweit der Kreis Macht hat. Korrumpiet das nicht?

Ich selbst mache das jetzt seit acht Jahren. Da unterliegt man natür

lich gewissen Anpassungspro zessen. Und ich denke, daß nach der nächsten Kommunalwahlen neue Leute die Arbeit weiterführen. Denn diese Mehrheitsverhältnisse werden wir wahrscheinlich behalten. Wir haben eine sehr stabile rot-grüne Mehrheit.

Es ist natürlich so, daß wir bestimmten Initiativen nicht mehr so breiten Raum einräumen können. Wir sind jetzt eher bei der Umsetzung unserer Positionen angekommen, als bei der ersten Einbringung.

Und die Basis selbst hat sich weit entfernt und weiß gar nicht mehr was ihr macht?

Wir versuchen, die Basis einzubinden, soweit sie Lust hat.

Und hat sie das?

Es könnte mehr passieren. Aber wir sind ganz zufrieden.

Fragen: Holger Bruns-Kösters