Um des lieben Friedens Willen-betr.: "Zeitenwechsel", taz vom 10.7.89

Betr.: Kommentar „Zeitenwechsel“, taz vom 10.7.89

Kommentare in Tageszeitungen - auch in der sogenannten sind in der Regel der Ort, wo einfache Weltbilder zu Markte getragen werden. Um so größer die Ironie, wenn KommentatorInnen sich Pappkameraden aufbauen, denen sie ein einfaches Weltbild unterstellen. Vielleicht dient das der Symmetrie...

(...) Die Kritik der reinen Militanz hätte daran anzusetzen, die Gründe aufzuzeigen, warum diese Form der Kraftmeierei der gemeinsamen Sache schadet. Einer der wichtigsten Gründe ist: Sie schürt eben jene Vorurteile, jene Feindbilder gegen AntifaschistInnen. Die taz nennt diese Gründe nicht, sondern reproduziert sie. Sie reiht sich selbst ein in die Menge der bürgerlichen Medien, die jedesmal, wenn's knallt, ihr Augenmerk vornehmlich auf die Randale richten, den verbalen Gummiknüppel zücken und mit möglichst groben Kategorien eine Differenz zwischen „friedliche“ und „unfriedliche“ DemonstrantInnen schlagen. Die letzte Konsequenz, Brigitte Fehrle ist so ehrlich sie zu nennen, ist dann, die „Militanten“ „auszugrenzen und damit der Polizei auszuliefern“. Um des lieben Friedens willen.

Als die Auszugrenzenden, die „Absprachen gegenüber unzugänglich sind“, hat die Autorin vorher „türkische Gruppen und jugendliche Banden“ identifiziert. Wie sie darauf kommt, lasse ich einmal dahingestellt, nicht aber, welche Konsequenz diese Forderung hätte. Menschen ohne deutschen Paß als „GewalttäterInnen“ der Polizei auszuliefern kann auch unter Rot-Grün für viele von ihnen die Abschiebung bedeuten. Und die, die „nur“ in den Knast wandern, werden die Erfahrung nicht vergessen, daß sie nicht nur von ausdrücklichen RassistInnen, sondern auch von den „guten Deutschen“ ausgegrenzt werden - natürlich aus „guten Gründen“. Diese Demo-Hygiene spricht selbst dem dümmlichen Schlagwort von der „multikulturellen Gesellschaft“ Hohn erst recht der etwas altmodischen Idee der (internationalen) Solidarität.

Klaus Oberauer, Berlin 21