: Wissenschaft und Technik
■ Gen-Fusion/Roboter-Biene/Quadratur des Kreises/Lichtblick für Tierversuchsgegner/Killer-Meteorit und Dinosaurier/Quakeawake
Einfacher, billiger und schneller werden die Gentechnologen in Zukunft genmanipulierte Tiere fabrizieren. Italienischen Wissenschaftlern ist es gelungen, das natürlichste Transportsystem für Gene, die Spermien, dazu zu veranlassen, Erbmaterial von Bakterien auf Mäuse zu übertragen. Bisher ist die Genmanipulation von Tieren oft gescheitert, weil es schwierig war, fremdes Erbgut in Tierzellen einzuschleusen. Das Erbgut wird mit winzigsten Nadeln direkt in den Zellkern eines befruchteten Eis injiziert. Die als „Mikroinjektion“ bekannte Methode geht oft schief und erfordert teure Mikroskope und viel Arbeitszeit. Der Transport per Spermium ist da - so paradox es klingt - das Ei des Kolumbus. In seinem Versuch inkubierte Corrado Spadafora vom Institut für Biomedizinische Technologie in Rom Mäusespermien zusammen mit einem Bakterien-Gen im Reagenzglas. Zur Überraschung der Wissenschaftler nahmen die Spermien ohne weiteres das fremde Erbgut auf. Mit den Bakterien-Gen enthaltenden Spermien wurden Mäuseeier im Reagenzglas befruchtet und die entstehenden Embryonen Mäuse-Leihmüttern eingepflanzt. Das Bakterien-Gen war bei etwa einem Drittel des Mäusenachwuchses nachweisbar und wurde auch vererbt. Der Transport per Spermium gelang nicht nur bei Mäusen, sondern auch bei Fröschen und Seeigeln. Gentechnologen weltweit reagierten zunächst mit Skepsis auf die Veröffentlichung der Versuchsergebnisse. Der Embryologe Jan Abramczuk vom amerikanischen „National Institute of Health“ meinte, es mit einer neuen „Fusions-Hysterie“ zu tun zu haben. Doch als er den Versuch im eigenen Labor durchführte, kam er zu den gleichen Ergebnissen wie die Italiener. Die Entdeckung ist besonders erstaunlich, weil Wissenschaftler wiederholt mit den ausgefeiltesten Methoden versucht haben, Spermien zur Aufnahme fremden Erbmaterials zu bewegen. Es schien nur logisch, daß Spermien, die das Transportmittel für Erbmaterial in der Natur sind, auch die von den Gentechnologen geschneiderten Gene bereitwillig transportieren. Doch die Versuche schlugen stets fehl, und man wandte sich komplizierteren Übertragungsmethoden zu. Die Entdeckung der Italiener kommt zu einem günstigen Zeitpunkt für die Biotechnologie-Industrie. In Laborversuchen ist inzwischen eine ganze Serie von genmanipulierten Lebewesen für die Landwirtschaft und die Pharmaproduktion hergestellt worden. Kritiker der Gentechnologie befürchten, daß die einfache Gen-Übertragung per Spermium die Kommerzialisierung beschleunigen wird. Die ökologischen und sozialen Folgen der Einführung von genmanipulierten Lebewesen in größerem Umfang bleiben dabei unbeachtet. Das neue „Know-how“ kann außerdem universell angewandt werden. Theoretisch vereinfacht es auch Eingriffe insmenschliche Erbgut um ein Vielfaches. ROBOTER-BIENE
Wie kommunizieren die Bienen? Wer im Biologieunterricht aufgepaßt hat, weiß es: mit dem „Schwänzeltanz“, den Karl von Frisch vor dreißig Jahren entdeckte. Die Bienen informieren einander über den Standort ergiebiger Nektarquellen, indem sie den Genossinnen im Stock einen Tanz vorführen. Das Hinterteil hin- und herwippend tanzt die Heimkehrende achtförmige Figuren. Die Orientierung der Acht verrät die Richtung, in der die Futterquelle liegt, die Länge des Tanzes die Entfernung. Schon immer wollten Wissenschaftler mehr über dieses komplizierte Kommunikationssystem wissen. Sie bauten zum Beispiel künstliche Bienen, die tanzen konnten. Ohne Erfolg! Die lebenden Kolleginnen fielen auf die Attrappen nicht rein. Mit Hilfe der Computertechnik gelang jetzt der Bau der perfekten künstlichen Biene. Wolfgang Kirchner von der Universität Würzburg und Axel Michelsen von der Odense Universität in Dänemark bastelten einen winzigen Roboter, der die Flügel 250mal in der Sekunde schlägt und gleichzeitig 15mal mit dem Hinterteil wackelt. Im Bienenstock wurde die metallene Kollegin ohne weiteres aufgenommen. Sie tanzte ihren einprogrammierten Tanz, verströmte dabei etwas Zuckerwasser, und prompt zogen die lebenden Genossinnen zum designierten Fundort. Von großer Ähnlichkeit zwischen Roboter und Natur kann nicht die Rede sein. Der Körper der Kunst-Biene ist aus Bronze. Die Flügel sind aus Rasierklingen gefertigt und bewegen sich in diamantenen Kugellagern. Obendrein ist der Roboter über Drähte und eine Zuckerwasser-Leitung mit Computer kontrollierten Motoren verbunden. Da es im Bienenstock dunkel ist, dachten sich die Tüftler, wird dort auf Äußeres nicht viel Wert gelegt. Wie aber erkennen die Bienen im Dunkeln den Schwänzeltanz ihrer Kollegin? Die Frage konnten Kirchner und Michelsen mit Hilfe ihres Roboters beantworten. Der Tanz wird über das Gehör wahrgenommen. Tanzte der Roboter nämlich, ohne mit den Flügeln zu schlagen, dann blieb bei den Bienen jede Reaktion aus. Mit spezialisierten Organen in ihren Antennen können die Bienen das Summen der Tänzerin verfolgen. Vom Nahen erreicht das Geräusch die Lautstärke einer „sehr lauten Diskothek“, meint Kirchner.
Scientific American QUADRATUR DES KREISES
Schon die alten Griechen versuchten es ohne Erfolg: aus einem Kreis ein Quadrat mit gleicher Fläche zu bilden. Lediglich Lineal und Zirkel dürfen als Hilfsmittel zugezogen werden. Im 19.Jahrhundert bewiesen Mathematiker, daß die Aufgabe, so wie die Griechen sie stellten, nicht gelöst werden kann, weil die Fläche eines Kreises, Pi mal Radius zum Quadrat, mit Hilfe von Pi, einer irrationalen Zahl, definiert wird. Der ungarische Mathematiker Miklos Laczkovich stellte die Aufgabe jetzt etwas anders. Kann man die Fläche eines Kreises in unvorstellbar viele kleine Stücke schneiden und sie dann zu einem Quadrat mit der gleichen Fläche zusammensetzen? Laczkovich meint - und bewies im 40 Seiten starken Manuskript -, man kann!! Mit viel Geduld. In nicht weniger als 10 hoch 50 (zehn mit fünfzig Nullen) Stücke muß der Kreis geschnitten werden. (Zum Vergleich: eine Million Kubikkilometer Wasser enthalten etwa 10 hoch 50 Wassermoleküle). Leider dürfen die Papierstücke nicht mal gleichförmig aussehen. Sie müssen so bizarr und voller Löcher und verrückter Ecken sein, daß ihre Form schlechthin unvorstellbar ist. Laczkovich wird seinen Beweis erst in einem Jahr veröffentlichen. Doch, wie üblich unter Mathematikern, hat er sein Manuskript Kollegen schon jetzt zugänglich gemacht. Die sollen eventuelle logische Fehlschlüsse aufdecken. Doch bisher sind führende Mathematiker überzeugt: Laczkovichs Quadratur des Kreises stimmt.
Science Times LICHTBLICK FUER TIERVERSUCHSGEGNER
Die Bewegung gegen Tierversuche hat ihre Erfolge. Wissenschaftler geben das nicht gerne zu, doch arbeiten sie andererseits fieberhaft an Alternativen zu den herkömmlichen Tierversuchen. Amerikanischen Tierärzten ist es jetzt gelungen, eine Testmethode zu entwickeln, die den besonders verpönten Draize-Test ersetzen kann. Mit dem Draize-Test werden Substanzen auf ihre Giftigkeit untersucht, indem man sie in die Augen erwachsener Kaninchen einträufelt. Das Verfahren ist oft äußerst schmerzhaft und kann die Augen der Kaninchen unheilbar schädigen. Veterinär Jerry Silverman von der Ohio-State-Universität fand jetzt, daß das einzellige Tierchen „Tetrahymena“ empfindlich auf giftige Substanzen reagiert. Wenn Tropfen einer giftigen Lösung in das Wasser gegeben werden, in dem „Tetrahymena“ schwimmt, bewegt sich der Einzeller je nach Giftigkeit immer langsamer oder kommt ganz zum Stillstand. Die Auswertung des Versuchs ist außerordentlich leicht, weil der Einzeller mit einem Lichtmikroskop beobachtet werden kann. Tetrahymena-Tests, schätzt Silverman, kosten 150 DM und können in drei Stunden ausgewertet werden, während für einen Draize-Test 1000 DM, mindestens eine Woche und sechs Kaninchen erforderlich sind. Der größte Vorteil ist, daß „wir es mit einem Lebewesen zu tun haben, das keine Schmerzen im menschlichen Sinn empfindet“, meint Silverman. Andere zum Draize-Test bisher entwickelte Alternativen gelten als aufwendig und unexakt. Sie basieren auf der Herstellung von Gewebekulturen und langsamen biochemischen Reaktionen, deren Endresultat nicht eindeutig ist. Insofern ist der „Tetrahymena„-Test ein echter Durchbruch für die Tierschützer. Deren Aufgabe ist es nun, die Zulassungsbehörden für Kosmetika und Arzneimittel dazu zu bewegen, den Alternativ-Test ins Genehmigungsverfahren aufzunehmen. Die amerikanische „Food and Drug Administration“ zum Beispiel fordert immer noch den Draize-Test für die Zulassung aller Produkte.
USA today KILLER-METEORIT UND DINOSAURIER
Seit etwa zehn Jahren streiten sich Wissenschaftler um die Frage, warum vor 66 Millionen Jahren die Dinosaurier und mit ihnen zwei Drittel der damals lebenden Arten ausstarben. Die einen vermuten, daß gewaltige Vulkanausbrüche über Tausende von Jahren den Himmel verdunkelten, das Klima veränderten und die Erde mit saurem Regen vergifteten. Die andere Gruppe Wissenschaftler ist überzeugt, ein gewaltiger Meteorit oder Komet sei mit der Erde zusammengestoßen. Die Folgen der Kollision mit dem auf zehn Kilometer Durchmesser geschätzten Himmelskörper sollen katastrophaler als die gleichzeitige Explosion aller heute existierenden Atombomben gewesen sein. Die „Außerterrestrischen“ basieren ihre Theorie auf Metallablagerungen während der Zeit des großen Aussterbens. In den in der damaligen Zeit abgelagerten Sedimenten befinden sich relativ große Mengen von Iridium, ein Metall, das auf der Erde selten, auf Meteoriten aber in ziemlich großen Mengen vorkommt. Das Iridium, mutmaßen die Forscher, regnete als „Fallout“ nach dem katastrophalen Zusammenstoß auf die Erde nieder. Nun haben die Anhänger der „großen Kollision“ in Dänemark einen neuen Beweis für ihre Theorie gefunden. In alten Lehmsedimenten, die in der Zeit vor 65 Millionen Jahren abgelagert wurden, entdeckten die Wissenschaftler außerirdische Aminosäuren. Aminosäuren sind die Substanzen, aus denen Eiweiße aufgebaut sind. Sie treten aber auch in bestimmten Meteoriten auf. Die zwei jetzt aufgefundenen Aminosäuren gibt es auf der Erde außerordentlich selten, auf Meteoriten aber ziemlich häufig. Zudem hatte eine der Aminosäuren eine Gestalt (Konfiguration), die bisher auf der Erde noch nicht angetroffen worden ist. Trotz dieser Beweise wird der Streit über das große Aussterben noch lange nicht beigelegt werden. Viele Forscher stimmen zu, daß es vielleicht Kollisionen mit einem oder mehreren Himmelskörpern gegeben hat. Sie hegen aber Zweifel über das Ausmaß der Auswirkung. Das Aussterben der Arten kann trotzdem die Folge von langsamen Klimaveränderungen gewesen sein. Dafür spricht die Tatsache, daß die Zeit des großen Aussterbens mehrere Millionen Jahre anhielt.
Nature California QUAKEAWAKE
Kalifornien hat Angst vor Erdbeben. Mit gutem Grund. Immerhin ist San Franzisko vor 80 Jahren von einem Erdbeben total zerstört worden. Auch heute wackelt es immer mal wieder kräftig im sonnigen Kalifornien. Die Erdbeben -Vorhersager haben deshalb schon immer Hochkonjunktur gehabt. Seit neuestem macht California QuakeAwake aus der Not eine Tugend bzw. Dollars. Die Firma verkauft Erdbeben -Warnanlagen für den Hausgebrauch. Ähnlich wie bei einem Feueralarmsystem ertönt eine Sirene, wenn sich Unheil ankündigt. Etwa dreißig Sekunden vor Ausbruch eines Bebens, das auf der Richterskala 5,5 oder höher mißt, geht das Geheul los. Genug Zeit, um sich schnellstens unter einen Tisch oder eine Türöffnung zu begeben. Das Gerät registriert P-Wellen, die Druckwellen, die dem eigentlichen Beben vorangehen. Die Warnzeit verkürzt sich bis auf fünf oder zehn Sekunden, wenn sich QuakeAwake in nächster Nähe zum Epizentrum befindet. Dann aber Beeilung! Den Kaliforniern kann man nur wünschen, daß QuakeAwake verläßlich, aber nicht übertrieben empfindlich ist. So manche Feueralarmanlage stört den häuslichen Frieden mit Sirenengeheul, weil jemand duscht oder Spiegeleier anbrennen läßt. Sollte QuakeAwake bei jedem Lastwagengerumpel oder Preßlufthammer Alarm schlagen, ist es um den Seelenfrieden der easy-going Kalifornier bestimmt bald geschehen.
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