piwik no script img

„Die Berliner sollen merken, daß es noch Leute gibt, die gern laufen“

■ Der Wanderer Adam Kraus (70) aus Bamberg zum „Deutschen Wandertag“, der seit Donnerstag bis Montag in Berlin stattfindet: „Das war eine gewagte Sache“ / „Den tollen Blick wie im Mittelgebirge hat man in Berlin nicht, dafür sind wir stramm durch die Grünanlagen gelaufen“

Seit Donnerstag findet in Berlin erstmalig der Deutsche Wandertag statt. Zu der Veranstaltung des Verbandes Deutscher Gebirgs- und Wandervereine, die bis einschließlich Montag geht, werden bis zu 20.000 Teilnehmer erwartet. Neben dem Kongreß „Wandern: Umwelt-Gesundheit-Freizeit“ im ICC werden 41 Wanderstrecken durch die Berliner Forsten und Grünflächen angeboten. Rund 1.000 Teilnehmer der Wanderjugend halten morgen im Palais am Funkturm einen Informationsmarkt ab, am Sonntag soll auf dem Kurfürsten Damm ein Festzug in traditionellen Trachten auf dem Kurfürstendamm stattfinden. Der Verband Deutscher Gebirgs und Wandervereine hat 523.000 Mitglieder, aus rund 2.500 Ortsverbänden. Der Plan, den 89. Deutschen Wandertag in Berlin abzuhalten, war verbandsintern nicht unumstritten. Mit Ausnahme von Stuttgart wurden die Wandertage bisher in kleineren Städten - wie im vergangenen Jahr in Bamberg abgehalten. Im folgenden ein Interview mit dem Mitglied der Bamberger Wandergruppe Adam Kraus (70), in breitester fränkischer Mundart.

taz: Wie fühlt man sich, wenn man so wie Sie in derben Wanderschuhen und Knickebockern durch die Großstadt Berlin läuft?

Adam Kraus: Das sind keine Knickebocker, sondern Kniebundhosen. Wir bringen mal ein anderes Bild in die Gesellschaft, in die Fußgänger hier. Die sollen mal darauf aufmerksam gemacht werden, daß es noch Leute gibt, die gerne laufen. Wogegen die Berliner ja meistens mit dem Auto fahren, nach unserer Feststellung.

Wie sind die Reaktionen der Bevölkerung auf Sie in dieser Kluft?

Ja, na die Leute schauen. Vor allem was wir so bemerken, daß ist so'ne schöne Bummelschicht, was hier so herumläuft...

Was ist das denn?

Die nichts zu tun haben, die nur so herumbummeln. Die machen natürlich Augen und Ohren auf und fragen sich, was sind das für Leute, die hier in der Form mit Rucksack, ja und so durch die Gegend laufen. Wir sind ja nicht irgendwer, sondern die Wandertagswimbelgruppe, die von Bamberg nach Berlin gewandert ist, ja. Leider natürlich nicht durch die Zone. Von Bamberg zur Grenze also im Freistaat Bayern bis zum Norden wo die Grenze herrübergeht. Von dort aus sind wir mit dem Wimpel und dieser Manschaft von 24 gestandenen Damen und Herren mit dem Bus bis zur nächsten Grenze, und ab Dreilinden sind wir wieder gelaufen bis zur Unterkunft.

Was halten Sie davon, daß der Wandertag ausgerechnet in Berlin ausgetragen wird?

Das war eine gewagte Sache, von vornherein. Aber ich bin der Meinung, es ist mal ein anderer Zug, mal ein anderes Bild. Die Wanderer werden das Bild in Berlin diese paar Tage mal verändern: Der Festzug und die Schlußkundgebung am Rande...

Sie meinen also der Wandertag tut mehr den Berlinern gut als Ihnen?

Sehr richtig, sehr richtig. Ich mein für uns, bitte nun ja, wir reisen in unserem Vaterland sowieso gerne dahin und dahin. Aber warum nicht einmal nach Berlin...

Aber zum Wandern, halten Sie Berlin dafür geeignet?

Ohne weiteres. Wir sind also jetzt bereits drei Tage stramm gewandert, über die ganzen Grünlagen. Diese ganze Seenkette, ja, haben wir schon umgangen, und es kamen also alle Tage ein gewaltige Summe von einer Kilometerleistung von circa 30 zusammen.

Würden Sie Berlin denn auch freiwilig als Wandergebiet wählen?

Man kann das schon tun. Aber selbstverständlich ist auf einem Mittelgebirgszug durch die Höhen mehr Sicht. Ein freier Blick in die Umgebung, das ist schon ein Vorteil, draußen im Mittelgebirgen, was wir in Berlin als solches nicht erleben.

Was halten Sie von der hiesigen rot-grünen Regierungskonstellation?

Ja, das ist nicht erfreulich. Das merken wir auch.

Was denn?

Daß sich die Stadt nicht mehr engagiert in diesen Veranstaltungen.

Was haben Sie denn erwartet?

Daß der Herr Momper - Ihr Präsident sozusagen -, daß der öfters mal auf der Bildfläche erscheint und die Gäste mit einem freundlichen Grußwort begrüßt.

Aber die zuständige Senatorin war doch da.

Man kann sie als Vertreter betrachten. Aber wenn hier 20.000 Menschen aufkreuzen, und mal ein deutscher Wandertag in Berlin ist, dann ist es eine gottverdammte Pflicht und Schuldigkeit, daß der oberste Herr dieser Stadt erscheint.

Interview: plu

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen