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Ein (Gift-)Schiff wird kommen

■ Der niederländische Frachter „Oostzee“ mit seinen leckgeschlagenen Chemikalienfässern wird im Elbehafen von Brunsbüttel entsorgt / Die „schwierige Operation“ beginnt am Samstagmorgen

Berlin/Hamburg (taz) - Der niederländische Giftfrachter „Oostzee“ mit 4.000 teilweise leckgeschlagenen Fässern hochgefährlicher Chemikalien an Bord wird heute morgen nach Brunsbüttel geschleppt und dort entsorgt. Nach längeren Verhandlungen gab das Kieler Wirtschaftsministerium gestern sein Okay für die „sehr schwierige Operation“, so der Brunsbütteler Hafenkapitän Horst Dietze. Das Kieler Ministerium hatte sich zunächst gesträubt und das niedersächsische Cuxhafen als Entsorgungshafen vorgeschlagen. In Brunsbüttel soll jetzt unter Mithilfe des Chemiekonzerns Bayer eine Spezialisten-Crew, eingehüllt in Chemie-Schutzanzüge und unter schwerem Atemschutz, die Fässer mit der Chemikalie Epichlorhydrin von Bord holen.

„Greenpeace“ hat unterdessen nochmals vor einer Explosionsgefahr gewarnt. Die Situation sei längst nicht so harmlos wie die offiziellen Verlautbarungen glauben machen wollen. Messungen hatten am Mittwoch ergeben, daß im Laderaum 60 Prozent des für eine Explosion kritischen Wertes erreicht sind. An Deck waren es zehn Prozent. Diese Zahlen bestätigte gestern auch Hafenkapitän Dietze. Er hofft, daß durch die am Mittwoch durchgeführte Öffnung der Ladeluken das Schiff „gut durchlüftet“ in Brunsbüttel ankommen werde, ohne daß eine Explosionsgefahr bestehe.

Das aus den defekten Fässern austretende Epichlorhydrin verdampft und verbindet sich mit der Luft zu einem explosiven Gemisch. Wenn die Konzentration der Epichlorhydrin-Dämpfe durch weiter auslaufende Fässer noch ansteige, könne, so Greenpeace-Chemiker Klaus Lanz, schon ein kleiner Funke eine Explosion auslösen.

Auch der Kieler Toxikologe Hermann Kruse bestätige gestern gegenüber der taz das Risiko durch diese „wahnsinnig gefährliche Chemikalie“. Epichlorhydrin bilde beim Verdampfen nicht nur explosive Gemische mit der Luft, sondern besitze auch eine starke krebserzeugende Wirkung. Durch die von den Meteorologen angekündigten hohen Außentemperaturen könne der Verdampfungsprozeß noch beschleunigt werden.

Im Bauch der „Oostzee“ sind offenbar mehr Fässer leckgeschlagen als bisher angenommen. Greenpeace-Chemiker Lanz, der das Schiff vor Ort gesehen hat, schätzt, daß es mit drei bis fünf Grad Schlagseite in der Elbemündung nördlich von Neuwerk vor Anker liegt. Dies deute darauf hin, daß die Ladung erheblich verrutscht ist. „Um bei einem solchen Schiff diese Neigung zu erzeugen, muß schon einiges umgekippt sein“, sagte Lanz.

Die Entsorgung der „Oostzee“ in Brunsbüttel wurde von Greenpeace begrüßt. Dies sei der einzig gangbare Weg. Allerdings müsse die gesamte Ladung bis zum letzten Faß von Bord geholt und überprüft werden. Gleichzeitig protestieren die Umweltschützer dagegen, daß danach der Transport „unter den erwiesenermaßen katastrophalen Bedingungen weitergehen darf“.

-man

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