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Kommunistin darf wieder unterrichten

Der niedersächsische Disziplinarhof hebt Berufsverbot gegen DKP-Vorstandfrau auf  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Der niedersächsische Disziplinarhof in Lüneburg hat am Donnerstagabend das Berufsverbot gegen die seit drei Jahren vom Dienst suspendierte Oldenburger Lehrerin Irmelin Schachtschneider aufgehoben Die niedersächsische DKP -Vorstandsfrau wurde statt dessen „nur“ von der Oberstudienrätin zur Studienrätin degradiert.

Das höchste niedersächsische Disziplinargericht ist damit nicht nur von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Beamten, die für die DKP kandidiert haben, abgewichen. Die Lüneburger Richter sind zudem zum zweiten Mal nicht der Linie der Regierung Albrecht gefolgt, die seit 1982 alle für die DKP kandidierenden Beamten aus dem Landesdienst zu „entfernen“ versucht

In dem Urteil gegen Irmelin Schachtschneider spielen die „neueren Tendenzen in der DKP“ eine wesentliche Rolle. In seiner Urteilsbegründung ging das Disziplinargericht in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung davon aus, daß das Parteiprogramm der DKP „objektiv verfassungsfeindliche Ziele“ verfolge. Nach Ansicht der Lüneburger Richter hat die Lehrerin „dies auch erkennen müssen“ und deswegen stelle die zweimalige Kandidatur für die DKP in den Jahren 1982 und 1986 ein schweres Dienstvergehen dar.

Trotz dieses „Verstoßes gegen die politische Treueplicht“, der vor bundesdeutschen Obergericht bisher stets den Rauschmiß der BeamtIn zur Folge hatten, sahen die Lüneburger Richter „von einer Entfernung aus dem Dienst“ ab und stuften die Oldenburger Oberstudienrätin lediglich um einen Dienstgrad zurück. „Eine Wiederherstellung der dienstlichen Vetrauensgrundlage“ hielt der Disziplinarhof deswegen „für möglich“, weil die Beamtin persönlich bei ihrem Engagement für die DKP nur Ziele verfolgt habe, die nicht im Widerspruch zur Verfassungsordnung gestanden hätten. Dies habe die Beamtin nicht nur glaubwürdig dargelegt, sondern sie könne sich angesichts der neueren Entwicklungen in der DKP auch entsprechend verhalten.

Der Disziplinarhof zeigte sich in seinem Urteil sogar überzeugt davon, daß Irmelin Schachtschneider, „ihren Beitrag dazu leistet, daß sich die DKP innerlich den Gegebenheiten der neuen Zeit anpaßt“. Für die Oldenburger Lehrerin für Latein und Deutsch, die jetzt an ihren Fortsetzung auf Seite 2

Arbeitsplatz zurückkehren darf, geht mit dem Urteil ein insgesamt sieben Jahre dauerndes Berufsverbotsverfahren zu Ende. Wie gegen 22 weitere niedersächsische Lehrer und Hochschullehrer, wurde gegen sie erstmals 1982 ein Disziplinarverfahren wegen einer Kandidatur für die DKP eröffnet. Nachdem der niedersächsische Disziplinarhof im Jahre 1986 in diesen Berufsverbotsfällen auf „Verbotsirrtum“ erkannt und in einer ersten Grundsatzentscheidung eine Entfernung aus dem Dienst abgelehnt hatte, leitete die

niedersächsische Landesregierung erneut Berufsverbotsverfahren gegen diejenigen Lehrer an, die weiterhin für die DKP kandidierten.

In diesen 17 Berufsverbotsverfahren hat der Disziplinarhof in Lüneburg am Donnerstag nun die erste richtungsweisende Entscheidung gefällt. Ein weiteres Verfahren dieser Berufsverbotsserie, gegen Matthias Schachtschneider, den Ehemann der Oldenburger Lehrerin, hatten die Lüneburger Richter vor kurzem wegen eines Formfehlers aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Dem niedersächsischen Kultusminister blieb gestern nichts anderes übrig, als die letztinstanzliche Entscheidung zu akzeptieren. Er erklärte: Frau Schachtschneider werde zum 1. August dieses Jahres wieder in den Schuldienst eingestellt.

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