Der Giftfrachter bleibt giftig

Die „Oostzee“ konnte noch nicht entsorgt werden / Arbeiter erlitt Unfall / Ohne Schutzanzüge an Deck  ■  Aus Hamburg Kai Fabig

Die Entsorgung des holländischen Frachters „Oostzee“ mit seinen 4000 teilweise leckgeschlagenen Giftfässern wird zunehmend schwieriger. Gestern erlitt einer der beteiligten Arbeiter offenbar eine Gasvergiftung. Am frühen Montagnachmittag mußte Sauerstoff und ein Rettungsboot angefordert werden, um dem Mann zu helfen. An Land machte sich ein Ärzte-Team bereit. Als der Verletzte eintraf, konnte er sich allerdings schon wieder auf den Beinen halten. Wie es zu dem Unfall kam, war bis Redaktionsschluß noch unklar. Bei der sehr schwierigen Entsorgungsoperation muß ausgelaufenes Epichlorhydrin beseitigt werden, eine hochgefährliche, stark ätzende und krebserzeugende Chemikalie, die sich beim Ausdampfen mit Luft zu einem explosiven Gemisch verbindet. Der Frachter liegt jetzt auf der Neufelder Reede bei Brunsbüttel.

Der Unfall hängt vermutlich mit den Problemen zusammen, die bei der Entlüftung der Laderäume auftraten. Der Wind stand so ungünstig, daß die über die Ventilation ausweichenden Gase des hochgiftigen Epichlorhydrins drohten, über die Schiffsbrücke getrieben zu werden. Deshalb mußten zwei Schlepper im Dauereinsatz die „Oostzee“ so manövrieren, daß sie günstig zum Wind steht, was nicht immer gelang. Aus diesem Grund wurde auch darauf verzichtet, einfach die Ladeluken zu öffnen.

Unabhängig von dieser Schwierigkeit ist damit aber noch

nicht geklärt, warum die Bergungsarbeiter nicht unter

Schutzanzügen und Atemmasken arbeiteten, wie zunächst

angekündigt. Bereits am Fortsetzung auf Seite 2

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Vormittag äußerte sich Wolfgang Stein, Pressesprecher der Hamburger Feuerwehr, gegenüber der taz verwundert darüber, daß die beauftragte Bergungsfirma die Gefahr offensichtlich unterschätzte und ihre Mitarbeiter ohne spezielle Schutzmaßnahmen auf das Schiff lasse. Hamburger Feuerwehrleute waren bisher als einzige in den Laderäumen des Schiffes, als es noch vor Cuxhaven lag. Dabei stellten sie im oberen Laderaum „ein wüstes Durcheinander“ fest, während die Stauung im unteren Laderaum offensichtlich in Ordnung war. Sie hatten auch schon eine erste Entlüftung vorgenommen, allerdings ohne - wie teilweise berichtet - die Lu

ken zu öffnen. Statt dessen wurde versucht, über die Ventilation einen Luftaustausch herzustellen.

Innerhalb von zwei Stunden sei es so gelungen, berichtete der Brunsbüttler Hafenkapitän Horst Diete, die Giftkonzentration von 160 ppm (das entspricht 160 Milligramm pro Kilogramm) auf 70 ppm zu senken. Damit auf dem Schiff gearbeitet, das heißt entladen werden kann, muß allerdings ein Wert von 3 ppm erreicht sein. So kann frühestens heute mit der Bergung der giftigen Ladung begonnen werden. Dann wird auch erst feststehen, wieviele Fässer tatsächlich leckgeschlagen sind. Denn von den bereits abgepumpten 1.000 Litern Epichlorhydrin auf vier beschädigte 250-Liter-Fässer zu schließen, sei völlig unlogisch, erkärte Greenpeace -Chemiker Klaus Lanz, da ein leckgeschlagenes Faß nie

vollständig auslaufen könne. Gezeigt habe sich in jedem Fall'daß es sich um einen „unbeherrschbaren Unfall“ handle. Denn, so Lanz, der auf eigene Initiative in den Krisenstab aufgenommen wurde: „Es gibt keine Möglichkeit, das Zeug gefahrlos zu entsorgen. Wir konnten nur alles versuchen, daß keine Menschenleben gefährdet werden.“