: Lösung friedlich - alle sauer
■ BesetzerInnen der Nostitzstraße fühlen sich über den Tisch gezogen / MieterInnen im Ersatzhaus Jüteborger Straße wehren sich
Als wenige Tage vor der Regierungsübernahme durch den rot -grünen Senat das Haus Nostitzstraße49 besetzt und von Kewenigs Truppen nicht geräumt worden war, sprachen die neuen Machthaber von einem „Kuckucksei“, das man ihnen ins Nest gelegt hätte. Ausgebrütet haben sie es trotzdem. Und der scheidende Baustadtrat Orlowsky wollte sogar ein Musterbeispiel für den neuen Stil in Sachen Wohnungspolitik machen. Geblieben ist davon nichts. Viereinhalb Monate nach der Besetzung stehen Senat und Bezirk vor einem Scherbenhaufen.
Sauer sind vor allem die BesetzerInnen: Von der ursprünglichen Zusage, der Bezirk werde ihnen drei Ersatzobjekte anbieten, blieb am Ende nur die Wahl, den Vorvertrag für einen abbruchreifen Seitenflügel in der Jüterborger Straße8 zu unterzeichnen oder die Räumung. Obwohl die fünf Zweizimmerwohnungen in der Jüterborger viel zu klein, somit der ganze Standort für ihre Vorhaben gänzlich ungeeignet war, unterschrieben sie unter Druck, wie sie heute sagen, die Verträge. Der Bezirk sicherte ihnen zu, der Seitenflügel sei innerhalb von drei, maximal vier Wochen bezugsfertig. Er ist es bis heute nicht.
Genauso sauer auf die rot-grünen Behörden sind die MieterInnen des Vorderhauses in der Jüteborger. Zunächst erfuhren sie von den Plänen für den Seitenflügel aus der Presse. Erst am 27.April erhielten sie ein Schreiben der SPAS-Mieterberatung, in dem es hieß, der Vertrag zwischen den BesetzerInnen und dem Martinswerk als Träger des Selbsthilfeprojektes sei bereits abgeschlossen worden. Eine glatte Lüge, der Vertrag wurde erst am 8.Mai unterzeichnet. Der Senat hat über die Köpfe der BewohnerInnen hinweg entschieden, so auch Isabella Praschmer vom Trägerverein Martinswerk. Initiativbeauftragter Jesse aus dem Bausenat hält dem entgegen, daß kein/e Mieter/in das Recht hätte bei der Wahl seiner NachbarInnen mitzubestimmen. Den MieterInnen hält er vor, sie hätten nur etwas gegen bunte Haare.
Alles Quatsch, sagen die. Sie sind entsetzt darüber, ich welch „arroganter Art und Weise“ SPD und AL über die Interessen der Betroffenen hinweggingen; ein Stil, den sie bislang nur von der jetzigen Opposition kennen würden. Besonders pikant, daß das Haus Jüteborger auch noch dem einschlägig bekannten Spekulanten Vogel gehört und von dessen Firma „Residenta“ verwaltet wurde.
Seit sieben Jahren wird dort das Vorderhaus modernisiert, seit Anfang Februar kommen die Arbeiten nur noch schleppend voran. Die Forderung der MieterInnen nach Ersatzvornahme damit die Arbeiten endlich weitergehen - lehnte die Baustadträtin mit der Begründung ab, dafür gäbe es kein Geld. Wie Hohn muß es deshalb den Mietern vorkommen, daß die gleiche marode Firma vom Bezirk 90.000Mark zur Instandsetzung des Seitenflügels erhalten soll. Die Hälfte des Geldes ist bereits auf ein Treuhandkonto geflossen. Ob das Geld die „Residenta“ noch erreichen wird, ist fraglich. Ab dem 1.August wird das Haus von der Dresdner Bank Immobilien verwaltet. Ein diesbezügliches Schreiben liegt dem Martinswerk vor. Auch die Tatsache, daß die „Residenta“ seit rund sechs Wochen keine Briefe der MieterInnen mehr beantwortet, spricht für einen baldigen Konkurs des Unternehmens.
Heute tagt der Mieterrat am Chamissoplatz - Baustadträtin Eichstädt wird sich einige Fragen gefallen lassen müssen.
Dirk Ludigs
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen