: Springer-HV: Die Konkurrenz bat zum Schaukampf
Ein Vertreter der Kirch-Gruppe sorgte auf der Hauptversammlung für Dampf und setzte in einem Punkt die Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrast durch ■ Aus Berlin Till Meyer
'Bild‘ war dabei, aber diesmal kam trotzdem alles anders. Eigentlich hätte auch die diesjährige Hauptversammlung der Springer-Aktionäre am Mittwochnachmittag bereits um 16 Uhr glatt über die Bühne des blauen Saals im Internationalen Congreß-Centrum (ICC) Berlin gegangen sein können. Bis dahin regierte im Saal die Devise: Ein Herz für Springer. Dann aber sprengte ein Under-cover-Agent eines der größten Medienrivalen des Springer-Imperiums die harmonische Szenerie. Ab diesem Zeitpunkt ging es zur Sache.
Zuvor aber konnten die rund 180 versammelten Groß- und Kleinaktionäre eine Erfolgsmeldung nach der anderen vom Vorstandspodest vernehmen. Das begann am Vormittag mit dem Geschäftsbericht aus dem Munde des Springer -Vorstandsvorsitzenden Peter Tamm. Der Konzernumsatz liege im Aufwärtstrend und sei im Geschäftsjahr 1988 um 2,1 Prozent auf satte 2,84 Milliarden Mark gesteigert worden. Das ermögliche eine Dividende von 12 Mark je 50-Mark-Aktie. Zwar sei es nicht gelungen, die Auflagen der Print-Medien zu erhöhen, doch habe man den Umsatz über das Anzeigengeschäft erhöhen können. Die Renner unter den Erzeugnissen aus dem Hause Springer seien nach wie vor die 'Bild'-Produkte. Die Zukunft aber, so Tamms Kernaussage, liege in den elektronischen Medien und in der Expansion auf dem europäischen Markt.
Und Springer hat bereits große Schritte in diese Zukunft getätigt: Das Medien-Imperium verfügt schon jetzt über 27 Prozent der Seicht-TV-Welle SAT I und hat, um auch im Filmgeschäft maßgeblich mitzumischen, die Capitol-Film Gesellschaft gegründet. Ein weiterer Griff in die Rundfunkkiste wurde im seligen Gedenken an das Erbe Axel Cäsar Springers allerdings vorerst zurückgestellt: „In Berlin haben wir die Rechte an einer Sendefrequenz zurückgegeben. Denn dort hätten wir mit den Grün -Alternativen auf einer Frenquenz gesendet, und das wollten unsere Kunden nicht“, erklärte Tamm.
Zum zweiten Standbein der Konzernstrategie, der Expansion des Hauses Springer auf dem europäischen Markt, konnte Tamm gleich mehrfachen Vollzug vermelden. Tamms Devise: „Im Inland wird der Spielraum immer enger, wir müssen ins Ausland.“ Und das sieht bisher so aus: „Das Dreieck Spanien, Italien, BRD ist gelegt.“ In Spanien kooperiert Springer inzwischen nicht nur mit der stockkonservativen Zeitung 'ABC‘, sondern hat sich auch längst in den drittgrößten Zeitungsverlag 'Scarpe‘ eingekauft und besitzt eine Druckerei von respektabler Leistungsstärke. „Schwerpunkt für den Axel-Springer-Konzern aber ist Italien“, so der Vorstands-Chef. Entsprechend gestaltet ist das Geschäft: Mit zehn Prozent hat man sich in die Verlagsgruppe Monti eingekauft und hat an Monti im Gegenzug zehn Prozent der Springer-Aktien verkauft. Damit war auch klar, daß einer der Chefs der Monti-Gruppe, Andrea Riffeser, für den scheidenden Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Christians, in den Springer-Aufsichtsrat nachrücken würde. Die Monti-Gruppe gibt unter anderem fünf auflagenstarke Regionalzeitungen in Italien heraus, darunter die konservative 'Il Tempo‘ - und all das, wie Tamm versicherte, nach dem verlegerischen Konzept von Axel Springer. In Österreich sei mit dem 'Standard‘ eine erfolgreiche Neugründung geglückt, und in Großbritannien sei 'Auto-Bild‘ bereits der Marktführer.
Nach all diesen Positiv-Meldungen berichtete der Aufsichtsrats-Vorsitzende Servatius den versammelten Aktionären, daß die Bilanzprüfung für 1988 ohne Beanstandungen glatt über die Bühne gegangenen sei und erklärte der Versammlung noch kurz und bündig die Formalitäten für die erforderliche Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats, um sodann die Aussprache im blauen Saal zu eröffnen. An dieser Stelle machten vor allem die Kleinaktionäre dem Geiste Axel Cäsar Springers alle Ehre. „Wieso verlegt der hauseigene Propyläen-Verlag die Memoiren von Willi Brandt? Wegen dem konnte Axel Springer nicht ruhig schlafen“, empörte sich der fünf Aktien starke Kleinaktionär aus Darmstadt. „Das sehen wir nicht so eng. Schließlich haben wir als einzige das Kapital von Karl Marx als billige Taschenbuch-Ausgabe auf den Markt gebracht“, setzte sich Tamm zur Wehr. Doch schon ging es weiter: „Trifft es zu, daß die Monti-Presse Andreotti in seiner Auffassung unterstützt, daß Ost- und West-Deutschland getrennt bleiben sollen?“ so die empörte Frage eines Kleinaktionärs. Vom Vorstandspodium herunter wurde beteuert, daß die Monti-Gruppe seit Jahren schon für die Freiheit Berlins eintrete. Doch nicht genug: Ob es zutreffe, daß der bekannte Links-Journalist Manfred Bissinger, der nicht nur bereits beim 'Stern‘, sondern sogar auch schon bei der 'Konkret‘ tätig gewesen sei, jetzt tatsächlich im Auftrage des Vorstandes die Geschichte des Springer-Konzerns schreiben solle? Zum Glück aber kam dann ein Aktionär auf die Idee, sich jetzt doch erstmal der „Sachdividende“, dem kalten Büffet, zuzuwenden. Nach zwanzig Minuten bei Würstchen und belegten Brötchen ging es dann unverhofft rund.
Die Fortsetzung der Aussprache dominierte fortan ein Mittvierziger in zerknautschtem Anzug, der sich als Dr.Stiefenhofer von der Taurus-Finanzgesellschaft vorstellte: „Ich vertrete hier 170.000 Springer-Aktien“, stellte der Mann sogleich klar. Die Kenner der Szenerie wußten, was die Glocke geschlagen hatte und warum sich auf dem bis dahin so gefaßten Vorstands-Podium Unruhe breit machte. Es ging zur Sache: In der Bütt stand der Vertreter des schärfsten Springer-Rivalen im Bereich der elektronischen Medien, des Kino-Moguls Leo Kirch. Kirch besitzt offiziell zehn Prozent der Springer-Aktien und wird von der Verlagsleitung verdächtigt, weitere 16 Prozent des Imperiums über Treuhänder zu halten.
Was nun folgte, war ein Schaustück kapitalistischen Konkurrenzkampfs. Leger aufs Rednerpult gestützt, zerriß der Doktor Zug um Zug die so schön vorgetragene Positivbilanz des Springer-Chefs Tamm: „Die Gewinne sind mager, die Verlustübernahmen aber beachtlich. Die Aktien sind um 12,4 Prozent gesunken“, begann Stiefenhofer seinen Angriff. Die Auflage der 'Bild'-Zeitung sei um zehn Prozent, die Auflage von 'Bild der Frau‘ gar um 21 Prozent gesunken. Auch in Bezug auf die Auslandsinvestitionen habe der Vorstand nicht die Wahrheit gesagt, da kein Wort über die Verlustübernahme im Spanien-Geschäft gefallen sei.
Richtig brisant wurden die Einwürfe des Kirch-Gesandten aber erst, als er auf den Handel mit der Monti-Gruppe zu sprechen kam: „Im Juni 1989 wurde die Springer-Aktie mit 550 Mark an der Börse gehandelt. Warum hat Monti 650 Mark bezahlt, also 100 Mark über Börsenkurs. Damit würde der Kaufpreis um 34 Millionen zu hoch sein. Das sieht hart nach verdeckter Gewinnausschüttung aus.“ Nachdem Stiefenhofer den gesamten Bilanzbericht zerpflückt hatte, ging er auch noch die bemerkenswerten Einnahmen des Vorstands-Chefs Tamm an: „Ein Jahreseinkommen mit allen Zulagen von über vier Millionen Mark, und das auch noch anderthalb Jahre über das für 1993 geplante Ausscheiden von Tamm hinaus, ist doch wohl unanständig.“
Obwohl die Kleinaktionäre dem Vorstand während dieser Attacke durch Zwischenrufe den Rücken gestärkt hatten (Stiefenhofer betreibt hier Verunglimpfung“), wußte der Vorstand auf diese Anwürfe so gut wie nichts zu entgegnen. Aufsichtsrats-Vorsitzender Servatius erklärte lediglich: „Stiefenhofer nimmt hier nicht die Rechte eines Aktionärs wahr, sondern vertritt hier die Interessen der Konkurrenz.“ Mehr wollte er allerdings nicht sagen: „Wir brauchen diese Fragen hier nicht zu beantworten, das verbietet schon die Satzung.“
In einem Punkt wird Stiefenhofer allerdings dennoch Auskunft erhalten: Per Antrag erzwang er die Prüfung des Spanien-Geschäfts sowie auch des Geschäfts mit der Oscar Bronner GmbH und Co.KG in Österreich durch einen dritten unabhängigen Prüfer. Nach mehrmaliger Stimmauszählung stand am späten Abend fest, daß die noch anwesenden Vertreter von 36,54 Prozent des stimmberechtigten Kapitals zu 99 Prozent für eine erneute Prüfung dieser Geschäfte votiert hatten. Damit sind Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 1988 für diesen Punkt nicht entlastet, für die übrigen Punkte lief die Entlastung glatt durch. Die Angelegenheit Monti konnte noch nicht behandelt werden, weil sie erst im Jahre 1989 über die Bühne ging.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen