Blüm serviert Milliarden-Nachschlag

In der Gesundheitsreform wird nachgebessert: Mit neuer Negativliste weitere Arznei- und Hilfsmittel auf dem Index  ■  Von Wieland Giebel

Berlin (ap/taz) - Eine weitere Milliarde Mark will Bundessozialminister Blüm auf die Bevölkerung abwälzen. Unwirtschaftliche, therapeutisch zweifelhafte, aber auch besonders billige Arznei- und Hilfsmittel sollen ab Januar nicht mehr auf Krankenschein abgegeben werden. Zu dem bis heute geheimgehaltenen Verordnungsentwurf dieser „Negativliste“ sollen bereits Ende August die Stellungnahmen von Kassen, Herstellern, Ärzten und Apothekern vorliegen. Am 20.Oktober will der Bundesrat darüber entscheiden. Schon bisher müssen die Versicherten bestimmte Mittel zum Beispiel gegen Schnupfen oder Halsschmerzen bezahlen.

Es würden aber nach Meinung von Blüm nicht wenige Medikamente zu Lasten der Krankenversicherung verordnet, die als unwirtschaftlich beziehungsweise unwirksam bezeichnet werden müßten oder deren therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen sei. „Mixturen mit fünf, zehn und mehr Bestandteilen, Arzneimittelkombinationen mit unnützen oder sogar bedenklichen Bestandteilen belasten heute noch den Etat der Krankenkassen“, sagte Blüm.

Von der taz um Beispiele für unwirksame Mittel gebeten, fielen dem Sprecher des Hauses allerdings nur ausgesprochen ausgefallene Beispiele ein: Penisklemmen, die fortan nicht mehr bezahlt würden. Penisklemmen wurden vor Jahrzehnten eingesetzt, bevor es Katheder gab, um bei inkontinenten Männern das Nässen zu stoppen. Zweites Beispiel waren Lederarmbänder, wie sie sich angeblich Bodybuilder massenhaft auf Krankenschein verschreiben ließen. Andere Beispiele waren dem Sprecher nicht zu entlocken. Fraglich bleibt daher, ob wirksame Medikamente preiswerter Hersteller und Naturheilmittel dazuzählen.

In der Presseerklärung des Ministeriums, die überraschend am Samstag vormittag herausgegeben wurde, ist die Rede von nur 350 Millionen Mark Einsparungen. Im Gegensatz dazu waren es am Freitag nachmittag 100 Millionen Mark für unwirtschaftliche, 50 Millionen Mark für medizinisch unwirksame Heilmittel und 230 Millionen Mark für Bagatellhilfsmittel. „Die größere Miete kommt aber noch“, bestätigte das Ministerium die Befürchtungen sowohl der Verbraucher als auch der pharmazeutischen Industrie und des Verbands der Arzneimittelhersteller. Man rechne mit weit höheren Einsparungen aufgrund dieser Verordnung. Berliner Ärzte rechnen mit einem Gesamtumfang von einer Milliarde.

Der Entwurf liegt seit 1.April vor und wird „seitdem auf Herz und Nieren geprüft“. Er wurde den betroffenen Medikamenteherstellern noch immer nicht zugeleitet, weil „wir nicht wie bei den Teppichhändlern darüber verhandeln wollen, sondern einen Vorschlag servieren werden, der durchgeprüft ist“.