: 200.000 Soldaten mehr als genug
■ Admiral Schmähling will die Bundeswehr angeblich um mehr als die Hälfte verkleinern / Das Thesenpapier wird in Bonn „skuril“ genannt / Auch Verteidigungsminister Stoltenberg für Bunsdeswehr in UNO-Truppen
Berlin (taz/ap/dpa) - Flotillenadmiral Elmar Schmähling will die Bundeswehr um mehr als die Hälfte verkleinern. Das Münchner Regenbogenblatt 'Bunte‘ behauptet, es läge ein Thesenpapier vor, in dem Schmähling, Chef des Amtes für Studien und Übungen der Bundeswehr, schreibe: „200.000 Soldaten sind genug.“
Der Admiral sei dafür, die Truppe in den nächsten zehn Jahren auf diese Stärke zu reduzieren. Die jetzige Zahl von 495.000 Soldaten sei „weder der Nato fest zugesagt, noch ist sie zwingend militärisch begründet“. Es komme auch nicht so sehr darauf an, „wie viele Soldaten im Frieden in den Kasernen sitzen“, sondern wie viele bei einem Angriff einsatzbereit wären. Schenkt man dem Bericht der 'Bunten‘ Glauben, will Schmähling auch mit einer der Lieblingsvorstellungen der Militärs brechen: „Der Überraschungsangriff nach einer Vorwarnzeit von nur zwei Tagen ist ein Fossil aus der Mottenkiste des kalten Kriegs.“ In einer ersten Phase sei eine „Übergangsstärke von nahezu 300.000 Mann“ vorstellbar, unter anderem durch die „Stationierung der Truppe dort, wo sie im Verteidigungsfall eingesetzt würde“. Bis zum Jahr 2000 könnte dann weiteres Personal eingespart werden, vor allem durch „weitgehende Automatisierung“. Weil selbst hochkomplizierte Waffensysteme so leicht „wie Waschmaschinen“ zu bedienen seien, wären die 200.000 Soldaten dann „voraussichtlich mehr als genug“.
Im Bonner Verteidigungsministerium gab es zu den atemberaubenden Ausführungen Schmählings keine Stellungnahmen. In Bonn wurden seine Pläne aber als „skuril“ belächelt. Erinnert wurde auch an den „Verweis“, den Schmähling letzten Dezember im Anschluß an die Würzbuger Kommandeurtagung einstecken mußte. Schmähling - für seine markant-kritischen Äußerungen gut bekannt - hatte sich erfrecht, die Reden des Kanzlers Kohl und des damaligen Verteidigungsministers Scholz einer kritischen Würdigung zu unter ziehen.
Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) hat sich jetzt am Wochenende auch für eine Beteiligung der Bundeswehr an UNO-Friedenstruppen ausgesprochen. In 'Bild am Sonntag‘ sagte er, daß dies auch ohne Grundgesetzänderung möglich sein müsse. Der Bonner Hardthöhenchef stößt damit in das gleiche Horn wie sein Ressortkollege Schäuble im Innenministerium. Schäuble hatte in der Debatte um eine mögliche Beteiligung deutscher Polizisten an der UNO-Truppe UNTAG in Namibia gefordert, eine Entscheidung darüber gleich generell mit einem positiven Votum für den Einsatz deutscher Militärs bei den „Blauhelmen“ zu verkoppeln.
Bei den Bonner Oppositionsparteien sind die Forderungen nach einem militärischen Engagement auf heftige Kritik gestoßen. Die SPD befürwortet zwar einen Einsatz von Polizisten, damit in Namibia die vom Apartheidstaat Südafrika befehligte südwestafrikanische Polizei effektiver kontrolliert werden kann. Militärische Missionen im Rahmen der UNO lehnt die SPD dagegen kategorisch ab. Die Bonner Grünen haben eine Beteiligung sowohl von Bundeswehr als auch Polizeibeamten vehement verurteilt. Während der FDP -Außenminister Genscher keine Bundeswehrsoldaten zu den die „Blauhelme“ schicken will, hat sein Parteichef Lambsdorff in einem Interview den Bundeswehreinsatz bei den UNO-Truppen „im Prinzip“ befürwortet.
Stoltenberg kündigte gestern auch an, daß es in Zukunft weniger Lärmbelästigung durch militärische Tiefflüge geben werde. Wie sein Vorgänger, Tiefflieger Scholz, beteuerte er jedoch gleichzeitig, daß ein Mindestmaß an Tiefflug auch weiterhin erforderlich bleibe.
wg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen