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Gastkommentar: Der Letzte löscht das Licht

■ Die Zukunft des Sozialismus

Der neue polnische KP-Chef Rakowski warnte soeben vor einer „Offensive antikommunistischer Kräfte“ und fordert keck einen „Zukunftssozialismus“. Was immer das sein mag, Rakowski vergaß zu erläutern, daß die antikommunistische Offensive eine Folge innerkommunistischen Bankrotts ist. Ideologie und Ökonomie sind Spottgeburten geworden. Der reiche Westen hat gesiegt, soziale und nationale Konflikte brechen im Osten auf.

In der DDR konnten wir den exemplarischen Niedergang aus der Nähe studieren: Anton Ackermann, Wolfgang Leonhard, Wolfgang Harig, Zaisser, Herrnstadt, Wollweber, Robert Havemann, Ernst Bloch - wer immer Alternativen andeutete, wurde ausgebootet. Nicht die Partei, aber deren jeweilige Spitze behielt die Interpretations- und Staatsgewalt und machte die DDR zum alternativlosen stalinistischen Abziehbild.

Läßt sich das ändern? Gibt es, mit Rakowski gesprochen, einen DDR-Zukunftssozialismus? Die Möglichkeit innerer Humanisierung der DDR Richtung sozialer Demokratie ist an äußere Veränderungen gebunden. Oberstes Gebot wäre die Aufgabe jedes Anspruchs auf Grenzveränderung von seiten der BRD. Ob Oder-Neiße- oder Elb-Grenze, so lange die Bundesrepublik ihre eigenen Nachkriegsgrenzen nicht ohne alles wenn und aber akzeptiert, kann es sich keine DDR -Regierung leisten, die Staatsgewalt zu pluralisieren. So garantiert der Westen die DDR-Diktatur.

Da die beiden deutschen Staatsbürokratien eine Politik des Status Quo praktizieren, gerade weil der Westen den Status Quo ante wiederherstellen will, können Anstöße zur Verfriedlichung nur von Dissidentenkräften ausgehen. Jeder Unzufriedene, der die DDR verläßt statt sich zu artikulieren, schwächt deren Reformpotential. Schwerer noch wiegt unser Versagen im Westen. Statt den Schwarz-Braunen -Neonationalen von CDU/CSU und REPs mit einer Politik offensiver Internationalisierung und Demokratisierung entgegenzutreten, herrschen Leisetreterei, Verzweiflung, modische Egozentrik.

Da hilft alles nichts: Wer eine reformierte DDR haben wollte, müßte als erstes ihren territorialen Bestand ebenso wie den Polens garantieren. Sonst rinnt die DDR ab wie eine Sanduhr. Bei 100.000 Abgängen pro Jahr (offiziell und über Ungarn) kann in 160 Jahren der Letzte in der DDR das Licht löschen - wahrscheinlich im Konferenzraum, wo SED- und SPD -Prominenz über deutschdeutsche Fragen konferierte.

Gerhard Zwerenz

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