KLATSCH, MATSCH, TRATSCH

■ „Erstes Sand- und Kleckerburgenfestival“ am Plötzensee

„Mal wat anderet zum Wochenende, aus den Häusern raus, mal wat andret machen.“ (Berliner Papa).

Die „Schwimmvereinigung Berlin“ („der besondere Schwimmverein in Berlin“) und die Landesbausparkasse (LBS) hatten zum Ersten Sand- und Kleckerburgenfestival am Plötzensee geladen, und einige kamen dann auch, oder es kamen zumindest soviele Vertreter von Presse-Funk-Fernsehen wie Sand- und Strandburgenbauer, und die sollten im Team antreten - genauer gesagt: Ein Teammitglied sollte über 16 sein ( erwachsen) und das andere darunter (kid). Aber da das Wetter nicht so recht mitspielte, mußte doch noch etwas nachgeholfen werden, damit genügend Teams zusammenkamen. Man schnappte sich also einige Stammgäste: „Und da wir schon Stammgäste sind, ham wir uns gefragt: Warum soll'n wir nich einfach mitmachen“, zumal der Opa hier früher Bademeister war „und is jetzt Platzwart beim Sportamt“, und der aktuelle Bademeister war plötzlich auch dabei („Gibt ja wenig zu tun bei dem Wetter“); man veränderte die Regeln - mutig traten ein minderjähriges Mädchen- und ein Jungenteam („Ich bin Manuel Koch, und das ist mein Bruder Frank Koch“) an, man wartete den Regen ab und legte los und hatte ungefähr zwei Stunden Zeit, die denn die meisten auch ausnutzten, zum Beispiel der bärtige Bademeister, weil: „Man will doch ooch zufrieden sein mit dem, was man gemacht hat.“

Gebaut wurde, „wie soll ick det sagen..., der hier hat angefangen, dann hab‘ ich bei ihm mitgemacht. Er hat den Anfang gemacht und ich da mit.“ (Melissa, Kid, 15). Und er, ein gepflegter Hippie, hat mitgemacht, weil's „ein guter Zeitvertreib is'“. Blöde sei allerdings der Wettbewerb, das hätte man lieber „so locker flockig“ machen soll'n. Mehr als 50 Burgen standen so herum. Die Kleckerburgen naturgemäß tropfsteinförmig. Manche hatten Ziehbrunnen zwischen die Mauern gestellt, manche benutzten Sträucher oder Dosen als Verzierung, und im Inneren einer Burg hatte jemand die Initialien des Mitveranstalters LBS aus Zigarettenstummeln geformt; um neckend zu werben? Wer weiß. Jedenfalls war alles sehr schön, verträumte Wege führten an den Zinnen entlang, verschwanden wieder oder stürzten ein, wenn der Sand nicht hielt. In der Skulpturenklasse (es wurde in zwei Klassen gebaut) gab es Meerjungfrauen mit Gorgonenköpfen, „rausgekommen ist eine befestigte Stadtanlage, nach Art der alten Römer, mit Amphitheater und so...“, Elefanten, Schildkröten und eine Robbe: die war Ollis (6) Idee, und der Papa erklärt: „Na ja, Burg is‘ ja ooch schön, is‘ ja 'ne Robbe, Robbe is‘ ooch schön, find‘ ick, paßt ja zum Wasser...“ Beide haben mitgemacht, weil, da „war'n Plakat in der Müllerstraße; deshalb ham wir mitgemacht, weil ick det gelesen hab‘.“

Sally (3) und ihr Papa wollten erst eine Coca-Cola-Dose machen, aber das ging nicht, weil: „Das krachte immer wieder zusammen. Da hat meine Frau gesagt: Macht doch 'ne Schildkröte!“ - und das war der Jury dann auch einen ersten Preis wert; den anderen bekamen Ines und Tanja Teichmann. Aber ist das gerecht, frage ich mich, wenn Mama schon „so'n bißchen vorgezeichnet“ und so quasi die kreative Phantasie ihres Kindes in ein ästhetisches Konzept gepreßt hatte? Der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Wedding, Herr Hablitschek - „Habii!!“, wie seine Fans begeistert gröhlten

-beschenkte jedenfalls die Gewinner mit einer Reise auf die schöne Ostseeinsel Fehmarn. Peinlicherweise lief während der Preisverleihung ständig An der Nordseeküste, am plattdeutschen Strand.... Die Verlierer konnten Eimer, Buddelschaufel und eine Tüte mit Kleinkram mitnehmen. Da war zuzm Beispiel eine Badekappe (überflüssig wie die Präser im letzten Hurra Deutschland, die sich das ZK der SED zur „Aktion Sicherer Bruderkuß“ über die Köpfe zogen), eine Urkunde etc. drin. Einige Teilnehmer schließlich regten sich am Ende doch ein wenig und berechtig auf, „weil beim Gewinnerteam, das war doch ein Säugling, da hat doch der Vater alles gemacht“, und weil Trostpreistüten nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung standen und die, die keine mehr abgekriegt hatten, dienstags in die Zweigstelle der LBS geködert werden sollten. Und die Kinder, die nicht gewonnen haben, sind traurig gewesen, und „wir kündigen unser Konto, nicht, Melissa“, und außerdem wäre es eine dreiste Werbeveranstaltung für die LBS gewesen, die so kostenlos in Presse-Rundfunk-Fernsehen unnötige Zeit und Raum gekriegt hätte, die sie sonst hätte teuer bezahlen müssen.

Detlef Kuhlbrodt