: Währungsrevolution im RGW-Handelssystem
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Polen und der UdSSR demnächst auf Dollarbasis ■ Aus Warschau Klaus Bachmann
Für Wirtschaftsexperten war es eine kleine Sensation, für den Mann auf der Straße kalter Kaffee: Vergangene Woche verkündete der Sprecher des „DTV“, der polnischen Tagesschau, die Sowjetunion habe vorgeschlagen, zukünftig die Abrechnungen über Im- und Export mit Polen auf Dollarbasis und zu Welthandelspreisen abzuwickeln. Und der sowjetische Botschafter in Warschau fand, das sei „eine gute und für beide Seiten vorteilhafte Idee“. Damit ließe sich zum ersten Mal der alte Streit darüber beenden, ob Polen die Sowjetunion ausbeutet oder umgekehrt.
Aufgrund der künstlichen Wechselkurse konnte bislang allenfalls festgestellt werden, daß Polen seine Schiffe zu lachhaften Preisen an sowjetische Reedereien verschleudert und umgekehrt die Sowjetunion dafür Polen fast umsonst mit Flugbenzin eindeckt. Bilanz zu ziehen war nahezu unmöglich. Doch mehr noch: Sollte der Vorschlag verwirklicht werden, wäre er ein absolutes Novum im RGW-Handel.
Dort wurden bisher nämlich nur weiterverkaufte Westexporte auf Dollarbasis abgerechnet, ansonsten galt der „Transfer -Rubel“, eine reine Verrechnungswährung beim Clearing, nach dem Grundsatz „Ware gegen Ware“. Das gegenseitige Clearing läuft dabei stets bilateral, ein Ausgleich ist daher jeweils zwischen zwei handelnden RGW-Ländern angestrebt. Nur die CSSR wickelt bisher einige Geschäfte mit der UdSSR in Rubel und Kronen ab.
Polen indessen gab beim letzten Besuch des ungarischen Ministerpräsidenten Karolyi Nemeth vor zwei Monaten bekannt, in den nächsten Jahren werde schrittweise eine vollkommene Konvertibilität zwischen Forint und Zloty eingeführt. Mit all diesen Plänen zeichnet sich nun eine Spaltung im RGW ab: Ungarn, Polen und die UdSSR demnächst mit konvertiblen Währungen auf der einen, die restlichen Mitgliedsländer mit bilateralen Clearingsverfahren auf der anderen Seite. Die Bevölkerung Polens hat für sich diese Entwicklung freilich längst verweggenommen. Sie rechnet auch sozialistische Währungen schon seit langem auf Dollarbasis ab. Wer seine Schmuggelware in Prag verkauft, kriegt harte Währungen dafür. Und wenn die nicht in Zloty konvertierbar sind, tauscht er sie in Dollar, die dann bei Bedarf in Polen wieder in Zloty rücktauschbar sind.
Seit einiger Zeit ist das noch einfacher geworden. Die meisten legalen Wechselstuben für westliche Devisen führen nun auch sozialistische Devisen zu Schwarzhandelspreisen.
Zwar ist klar, daß die Kronen und Rubel, die dabei in Dollar oder Zloty getauscht werden, ursprünglich eingeschmuggelt wurden und die Forint und Ley, die die Kunden kaufen, wiederum ausgeschmuggelt werden, doch im Licht von Polens Devisengesetz sind solche Transaktionen völlig legal. Auch wenn den Zollbeamten der Bruderländer die Haare zu Berge stehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen