: Zyperns Beitrittsgesuch in der EG ohne Chance
■ Neuaufnahmen erst wieder ab dem Jahr 2000 und bei anderer Struktur der Gemeinschaft
Auch Zypern strebt in die EG. Noch ist das Beitrittsgesuch des Mittelmeerinsel-Staates nicht offiziell bei der EG -Kommission in Brüssel eingegangen. Dort rechnet man allerdings damit, daß dieses Gesuch in der nächsten Zeit kommen wird. Wie aus „gewöhnlich gut informierter Quelle“ verlautet, wird die Kommission einen entsprechenden Antrag mit Vorbehalten und einigen Fragezeichen beantworten. Derzeit hat die EG sicherlich keine weitere und schnelle Erweiterung im Sinn. Bis 1992 wird in diesem Bereich nicht mit dramatischen Änderungen zu rechnen sein. Auf der EG -Tagesordnung ganz oben stehen zunächst einmal die Vollendung des Binnenmarktes und eine funktionierende Währungsunion. Die EG - so die gegenwärtige Position der Kommission, wie auch des Europäischen Parlaments vertreten wird - muß sich ernsthaft überlegen, ob sie mit ihrer gegenwärtigen Struktur überhaupt ein anderes Land aufnehmen kann. Bereits heute ist das regionale Ungleichgewicht für die EG ein großes Problem.
Mit einem Beitritt Zyperns und einem dann mit großer Sicherheit erwarteten Beitrittsgesuch aus Malta würden sich die Probleme nur noch weiter verschärfen. Außerdem gibt es noch eine Reihe anderer Länder, die eben ein Beitrittsgesuch gestellt haben - wie Österreich - oder die ebenfalls ungeduldig vor der EG-Türe stehen wie Norwegen, Ungarn, die Türkei und Marokko. Norwegen ist unter den möglichen Anwärtern das einzige Land, das bereits eine Beitrittserklärung unterschrieben hatte, die aber durch einen Volksentscheid zum Beitritt hinfällig wurde.
Die EG käme in Teufels Küche, wenn sie nun ausgerechnet Zypern aufnehmen wollte, denn dann könnten die Norweger durchaus auf ihre älteren Rechte pochen.
Last not least ist Zypern aufgrund seiner jüngsten Geschichte und seiner Zweiteilung ein besonders heikles politisches Problem. Da die wirtschaftlichen Beziehungen zur EG ansonsten hervoragend sind, gibt es aus EG-Sicht überhaupt keinen akuten Grund, am status quo irgendetwas zu ändern.
Aus der Nähe Delors verlautet, daß realistischerweise mit einer neuen Erweiterungspolitik erst ab dem Jahr 2000 zu rechnen sei. Neben einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion, die diesen Namen auch wirklich verdient, muß das Verhältnis von Ministerrat und Europäischem Parlament geändert werden, bevor sich die EG weiter ausdehnen kann. Es kursieren Vorstellungen über das Europäische Parlament als echtes demokratisches Kontrollorgan und dem Ministerrat als zweiter Kammer - ähnlich dem Bundesrat in der Bundesrepublik. Ob die Minister und Staatschefs, die bislang die europapolitischen Fäden in Händen halten, so schnell und so kampflos so viel Macht abgeben, scheint einigermaßen zweifelhaft. Zypern wird möglicherweise noch recht lange warten müssen.
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