Mister29 als Japans Saubermann

Kaifu wird heute zu Nippons Premier gewählt / Ein profilloser Nobody  ■ P O R T R A I T

Tokio (dpa/ap/taz) - Mit der gestrigen Wahl des früheren Erziehungsministers Toshiki Kaifu zum Vorsitzenden der regierenden Liberal-Demokratischen Partei (LDP) Japans scheint seiner Bestätigung als neuer Ministerpräsident heute nichts mehr im Weg zu stehen. Kaifu ist damit der dritte Premier, der innerhalb von drei Monaten in Tokio die Amtsgeschäfte führen wird. Seine Vorgänger Sosuke Uno und Noboru Takeshita waren über eine Sex- und eine Bestechungsaffäre gestolpert.

Nach der schweren Wahlniederlage der LDP am 23.Juli versucht die Partei, die Japan seit 1955 allein regierte, jetzt den 58jährigen als Saubermann zu präsentieren. Doch hat der jugendlich wirkende Sohn eines Fotografen bereits zugeben, im Recruit-Bestechungsskandal kräftig abgesahnt zu haben. Bei zahlreichen LDP-Größen hatte dieses Bekenntnis in den letzten Monaten für das Ende ihrer Karriere gesorgt. Die umgerechnet 220.000 Mark, die Kaifu jedoch von der Finanzierungsgesellschaft erhielt, will er als legale Parteispende erhalten haben.

Kaifu war schon zweimal - 1976/77 und 86/87 Erziehungsminister gewesen. In der Außen- und Finanzpolitik gilt er jedoch als profilloser Noboy. An Ehrgeiz und Karrierebewußtsein fehlt es ihn allerdings nicht. Vor 29 Jahren, 1960, verkündete der 29 Jahre alte LDP-Abgeordnete Kaifu, in weiteren 29 Jahren werde er neuer Ministerpräsident Japans sein. Zuvor war er in Japans neunundzwanzigsten allgemeinen Wahlen erstmals ins Parlament gewählt worden.

Kaifu kündigte ein stärkeres Engagement Nippons ins der UdSSR und Osteuropa an. Japan solle seiner Meinung nach eine größere Rolle in der Welt spielen. In Tokio wird jedoch vermutet, daß Mister29 nur Statthalter im Wählerverwirrspiel der LDP sein wird. Sobald Gras über die Finanz- und Prostitutionsmachenschaften der LDP-Größen gewachsen ist, soll der bisherige Außenminister Shintaro Abe das Amt übernehmen.

kremb