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Was steckt hinter der „Frontberichterstattung“?

...fragt der Bonner Korrespondent des DDR-Fernsehens, Olaf Dietze, in seinem Kommentar zur Berichterstattung über DDR-Flüchtlinge in den BRD-Medien  ■ D O K U M E N T A T I O N

Hier in Bonn fragt sich so mancher, was die hysterische Kampagne der Massenmedien mit einigen Leuten soll, die auf dem Umweg über ausländische Vertretungen der BRD illegal die DDR verlassen wollen. Es könne ja wohl nicht nur das politische Sommerloch sein, das ARD und ZDF, den Rundfunk und die Zeitungen veranlasse, sich in einer Art „Frontberichterstattung“ zu überschlagen. Mit Regieanweisungen für illegale Grenzübertritte, mit der Lüge von einer angeblichen Einschränkung des Reiseverkehrs nach Ungarn, mit wilden Zahlenmanipulationen wird versucht, Bürger der DDR zu unüberlegten Schritten zu veranlassen und die Wahrheit total auf den Kopf zu stellen.

Da wird von einem „großen Zustrom“ gesprochen. Man meint aber nicht die 3,288 Millionen Reisen von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik und nach Berlin (West) in den ersten sieben Monaten dieses Jahres, man meint auch nicht die über 1,8 Millionen Reisen von DDR-Bürgern in die Ungarische Volksrepublik. Nein, diejenigen, die an einem Anheizen der Atmosphäre interessiert sind, meinen jene 131 Leute, die im Empfangssaal der Ständigen Vertretung der BRD in Berlin unter menschenunwürdigen Bedingungen kampieren, beziehungsweise jene 158 in der Bonner Botschaft in Budapest. Den hiesigen Behörden sind diese Zahlen und ihre Unverhältnismäßigkeit natürlich wohlbekannt. Für Hysterie wäre also gar kein Grund vorhanden. Man fragt sich deshalb, was eigentlich dahintersteckt.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD -Bundestagsfraktion, Horst Ehmke, hat offensichtlich den Finger nahe an der Wunde, wenn er der Bonner Regierung vorwirft, sie habe mit ihrer Politik „das Ganze noch ermuntert“ nach dem Motto: „Näher, meine Deutschen in aller Welt, zu mir!“ Auf einer Pressekonferenz erklärte er, diese Politik könne einer künftigen Entwicklung des Reiseverkehrs, der schon ein erstaunliches Maß erreicht habe, nur Schaden zufügen. Die Fraktionssprecherin der Grünen im Bonner Bundestag, Antje Vollmer, wurde noch deutlicher. Sie prangerte die nationalistischen Töne in Bonn an und warf dem sogenannten Innerdeutschen Ministerium und dessen Staatssekretär, dem langjährigen Führer des Revanchistenverbandes der Ostpreußen, Hennig, vor, seine „großdeutsche Einstaatentheorie“ lasse Rückschlüsse auf die nationalistische Denk- und Redeweise seines Ministeriums zu. Dies sei entweder dummes Gerede oder unverantwortliches Zündeln.

Diese Meinungen werden hier auch von anderen meiner Gesprächspartner geteilt. So hört man, mit der zugespitzten DDR-feindlichen Kampagne solle verdeckt werden, was man im eigenen Land, in der Bundesrepublik, nicht bewältigt: die Probleme mit den Asylanten, die immer drängender werdende Wohnungsnot, die millionenfache Arbeitslosigkeit und vieles mehr.

Die rechten, ultrakonservativen Politiker und die in ihrem Dienst stehenden Journalisten in Fernsehen, Rundfunk und Presse nutzen diese Hetzkampagne, um ihre revanchistischen Forderungen nach der Wiederherstellung des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 weiter unter die Leute zu bringen. So werden jene, die auf die Propaganda der BRD hereingefallen sind und sich jetzt in deren Botschaften aufhalten, obendrein regelrecht mißbraucht.

Nun gibt es in Bonn auch Politiker, die die gegenwärtige Kampagne als politisch kurzsichtig betrachten, weil sie keinem einzigen Menschen dient und letztlich nur die Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten belasten kann. Niemand, der einigermaßen realistisch denkt, kann etwas anderes wollen als eine normale Entwicklung der Beziehungen zwischen der BRD und der DDR. Warum also, so fragt man auch hier, wird zugelassen, daß diese Beziehungen Schaden nehmen können?

Selbst der Chef des Bonner Kanzleramtes, Rudolf Seiters, warnte im Zusammenhang mit der Schließung der Bonner Vertretung in der DDR davor, sich über den Weg in ausländische BRD-Botschaften illegale Ausreise verschaffen zu wollen. In Reiseangelegenheiten von DDR-Bürgern könnten einzig und allein die DDR-Behörden tätig werden.

Kenner der DDR-Politik in Bonn wissen auch, daß kein DDR -Bürger vom Besuch einer ausländischen Botschaft abgehalten wird und niemand, der sie wieder verläßt, Folgen zu befürchten hat.

Warnende Stimmen weisen darauf hin, daß diese Kampagne der Bonner Einmischung in innere Angelegenheiten der DDR dazu angetan sei, eine „härtere Gangart“ der DDR geradezu zu provozieren. Schließlich könne sich kein Staat erpressen lassen, und die DDR habe darauf zu achten, daß die Gesetze in ihrem Land für alle Bürger gleich gelten. In der Sprechererklärung ihres Außenministeriums habe sie ihre Position zu all diesen Fragen eindeutig dargelegt. Der insgesamt positiven Entwicklung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten in den letzten Jahren dürfe nicht durch Profilierungsversuche extrem rechter, den revanchistischen Landsmannschaften nahestehender Politiker und Journalisten Schaden zugefügt werden.

Nachgedruckt im Zentralorgan 'Neues Deutschland‘ v.10.August

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