Sauber? Rein?

■ Bei der Meisterschaft der Leichtathleten bleibt Doping Thema, über den Top-Leistungen schwebt der Zweifel

Helmut Meyer, Präsident des Deutschen Leichtathletik -Verbandes (DLV), gab sich ganz entschieden bei der Beurteilung der 82,16 Meter des neuen Meisters im Hammerwerfen. „Ich weiß, daß bei Heinz Weis alles in Ordnung ist und bei der Doping-Kontrolle nichts rauskommen wird.“ Die Stimme des Mannes vom DLV war dabei überaus ernst. Die schnell vorgetragene Antwort auf die Dopingfrage stütze sich auf den guten Glauben Meyers. Wie die ganze Doping -Angelegenheit in der Bundesrepublik bis auf weiteres eine Glaubenssache bleiben wird.

In Großbritannien und Frankreich wird bereits flächendeckend im Training getestet. Seit Juni erwischte der französische Verband bereits fünf Sportler. Bekanntester Anabolikasünder ist der Zehnkämpfer William Motti (8.327 Punkte), immerhin Olympiafünfter von Los Angeles 1984. Wie alle anderen wurde auch Motti von seinem Verband für zwei Jahre gesperrt.

Der DLV steht nicht an der Spitze der Sauberfrauen im Lande. Der Bundesausschuß für Leistungssport (BAL) führt mit dem Geld des Deutschen Sportbundes (DSB) ab Oktober ein „Pilotprojekt“ in den Sportarten Rudern, Gewichtheben, Eisschnellauf und Leichtathletik durch. Der DLV wählte „nach dem Zufallsprinzip“, wie Sportwart Manfred Steinbach erzählt, die Disziplinen 110 Meter Hürden, Kugelstoßen und Dreisprung bei den Männern sowie 400 Meter Hürden, Weitsprung und Speerwerfen bei den Frauen für Trainingskontrollen aus, die den Athleten 24 Stunden vorher angekündigt werden müssen. Im nächsten Jahr sollen dann andere oder alle Disziplinen einbezogen werden. Genaues weiß man noch nicht beim DLV. Viel hängt von der Höhe des Doping -Etats des BAL ab.

Der DLV scheint im Zwiespalt. Einerseits verfolgt ihn das Ben-Johnson-Syndrom, und Meyer sieht Doping durchaus als „eine existentielle Bedrohung der Sportart“ und „große Nachwuchssorgen auf die Leichtathletik zukommen, weil die Eltern nicht mehr mitziehen“, doch andererseits will der DLV das Thema klein halten, um das Prestige der Sportart zu retten und die vielen Leichtathletikfreunde nicht zu verwirren.

Die sollen nicht an jeder guten Leistung zweifeln. Heinz Weis wurde in Hamburg mit rhythmischem Klatschen unterstützt. Das Publikum fand an seiner 80-Meter-Serie nichts Ungewöhnliches. „Im Osten ja, aber bei uns bestimmt nicht“, war sich ein Zuschauer vollkommen sicher. Diese Meinung teilen viele, obwohl sich Fachleute sicher sind, daß 80 Meter ohne Anabolika kaum erzielt werden können. Zwei bis fünf Prozent mehr Leistung seien mit Doping drin; im Hammerwerfen sind das 1,60 bis 4 Meter.

Erleichtert war der DLV in Hamburg, daß die „fliegende Doping-Kommision“ des Weltverbandes (IAAF) plötzlich erschien und Kontrollen vornahm. „Natürlich sind die Wettkampfkontrollen nicht das Problem, das wissen wir“, gibt Manfred Steinbach zu. Doch für den DLV sind die IAAF -Wettkampfkontrollen ein willkommenes Feigenblatt. „Weltspitze ist auch ohne Doping möglich“, sagt Steinbach. Nur hängt über allen guten Leistungen der Schleier des Zweifels.

Karl-Wilhelm Götte

Die Meister und -innen 1989:

MÄNNER: 100 m: Wolfgang Haupt (Leverkusen) 10,45 Sek. 200 m: Erwin Skamrahl (Wolfsburg) 21,01 Sek. 400 m: Norbert Dobeleit (Wattenscheid) 45,52 Sek. 800 m: Peter Braun (Tuttlingen) 1:47,69 Min. 1.500 m: Dieter Baumann (Waiblingen) 3:44,93 Min. 5.000 m: Christian Husmann (Hannover) 13:47,93 Min. 10.000 m: Kurt Stenzel (Darmstadt) 28:49,93 Min. 4 x 100 m: TV Wattenscheid 39,47 Sek. 4 x 400 m: ASV Köln 3:05,87 Min. 20 km Gehen: Volkmar Scholz (Berlin) 1:25:46 Std. 20 km Gehen, Mannschaft: Berliner SV 4:23:55 Std. 110 m Hürden: Dietmar Koszewski (Berlin) 13,63 Sek. 400 m Hürden: Harald Schmid (Gelnhausen) 48,95 Sek. 3.000 m Hindernis: Hubert Karl (Ochsenfurth) 8:27,95 Min. Hochsprung: Dietmar Mögenburg (Wattenscheid) 2,27 m. Stabhochsprung: Bernhard Zintl (München) 5,60 m. Weitsprung: Dietmar Haaf (Kornwestheim) 8,22 m. Dreisprung: Wolfgang Zinser (Wattenscheid) 16,83 m. Kugelstoßen: Karsten Stolz (Wattenscheid) 20,32 m. Diskuswerfen: Rolf Danneberg (Wedel -Pinneberg) 67,38 m. Hammerwerfen: Heinz Weis (Leverkusen) 82,16 m. Speerwerfen: Klaus-Peter Schneider (Frankfurt) 84,56 m.

FRAUEN: 100 m: Ulrike Sarvari (Sindelfingen) 11,25 Sek. 200 m: Amdrea Thomas (Sindelfingen) 23,09 Sek. 400 m: Helga Arendt (Hamm) 52,23 Sek. 800 m: Gabi Lesch (Franfurt) 2:00,55 Min. 1.500 m: Gabriele Schwarzbauer (Ingolstadt) 4:21,31 Min. 3.000 m: Claudia Borgschulze (Hamm) 9:05,52 Min. 10.000 m: Iris Biba (Freigericht) 32:39,33 Min. 4 x 100 m: VfL Sindelfingen 44,01 Sek. 4 x 400 m: SSC Berlin 3:37,98 Min. 100 m Hürden: Claudia Zaczkiewicz (Weinheim) 12,98 Sek. 400 m Hürden: Ulrike Heinz (Freiburg) 55,92 Sek. Hochsprung: Andrea Arens (Berlin) 1,98 m. Weitsprung: Annette Ganseforth (Emstal-Dörpen) 6,48 m. Kugelstoßen: Claudia Losch (Fürth) 20,38 m. Diskuswerfen: Dagmar Galler (Leverkusen) 60,78 m. Speerwerfen: Brigitte Graune (Leverkusen) 63,94 m.