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Manöver mit gebremstem Schaum

■ Die gute Nachricht: Proteste zwingen Bundeswehr und Nato zu reduziertem Kriegsspiel / Verlagerung auf Sandkasten und Computer / Aber noch immer 200.000 Soldaten unterwegs

Bonn (dpa/taz) - Bundeswehr und Nato schränken in diesem Jahr ihren sonst üblichen großen Aufmarsch zum Herbstmanöver ein. Im September sollen wesentlich weniger Soldaten durchs Gelände ziehen und eine geringere Zahl von Panzern und Fahrzeugen Straßen und Wege ruinieren. Mit der Heeresübung „Offenes Visier“ in Niedersachsen und Teilen von Nordrhein -Westfalen will die Bundeswehr ihr Image polieren und ein neues „Konzept“ für die neunziger Jahre aufzeigen: „Höchstmögliche Rücksichtnahme“ auf Mensch und Umwelt wird postuliert.

Die Stärke der bundesdeutschen Manövertruppe lag in den vergangenen Jahren durchschnittlich bei 60.000, diesmal werden in den Landkreisen Soltau-Fallingbostel, Verden und Rotenburg/Wümme vom 13. bis 18. September 39.000 Soldaten am Kriegsspiel teilnehmen. Es ist die geringste personelle Besetzung der letzten zehn Jahre. Nur an drei Tagen traut sich die „Volltruppe“ ins Gefecht unter freiem Himmel. An den anderen Tagen wird in einer „Papierübung“ an Karten und Computern geschult.

Insgesamt sind an den 16 (Vorjahr: 20) Land-, Luft- und Seemanövern der Nato von Nordnorwegen bis zur Türkei aber immer noch rund 200.000 Soldaten beteiligt. 1988 waren es etwa 340.000 Mann. Die USA werden aber diesmal keine „Reforger„-Truppen in die Bundesrepublik bringen.

Bundeswehroffiziere räumen ein, daß der Sinn von Großverbandsübungen „sehr fraglich“ geworden ist. Die Flurschäden, der Tieffluglärm und die Behinderungen durch Manöverfahrzeuge würden von weiten Kreisen der Bevölkerung „einfach nicht mehr mitgetragen“. Auch „im Sandkasten“ könnten die Kommandeure und Stäbe mit Erfolg ausgebildet werden.

Bis 1990 sollen Manöver außerhalb der Truppenübungsplätze um die Hälfte reduziert werden. Unterhalb der Brigadeebene (2.000 Mann) soll in Zukunft die Gefechtsausbildung hauptsächlich auf dem eingezäunten Manöverterrain durchgeführt werden. Simulatoren und Computereinrichtungen sollen die „Wirklichkeit“ ersetzen. Die neue Rückzugsposition der Bundeswehr: Auf ein „Übungsgeschehen“ in Wald und Flur könne „nicht ganz verzichtet werden können“.

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