: Der Chef geht, die Apartheid bleibt
■ Der Streit in Bothas Partei könnte aber am 6.September wahlentscheidend werden / Von Hans Brandt
Lange Zeit galt de Klerk gegenüber Botha als der konservativere. Bei dem Streit, der jetzt zum Rücktritt des Ministerpräsidenten führte, war aber de Klerk derjenige, der auf Verhandlungen über eine politische Lösung in Südafrika drängte - allerdings unter Ausschluß des ANC (siehe auch Dokumentation auf Seite 8).
Was da am Montag abend in den südafrikanischen Fernsehnachrichten vorgeführt wurde, das war wie ein Streit gegen Schluß einer Liebesbeziehung - in jener Phase, wo mit Nichtigkeiten „argumentiert“ wird und die Kontrahenten im übrigen schmollen. Beleidigt und empört, von seiner Partei sitzengelassen, zitierte Präsident Pieter W. Botha vor der versammelten Nation eine Serie von Telefonaten, Briefen und „Telefaxen“, in denen er sich mit seinen Ministern gestritten hatte. Das Ganze gipfelte in dem resignierten Bekenntnis: „Ich werde von Ministern in meinem Kabinett ignoriert. Deshalb habe ich keine andere Wahl, als zurückzutreten.“
Gleich danach wurde in den Fernsehnachrichten den beiden wichtigsten Gegnern Bothas, dem Führer der Nationalen Partei (NP) Frederick W. de Klerk und Außenminister Roelof „Pik“ Botha das Wort gegeben. Siegesgewiß und mit triefendem Pathos sprachen sie von einem „traurigen Tag“ in der Geschichte des Landes und lobten den Noch-Präsidenten für die großen Taten, die er für Südafrika verrichtet habe. Sie verzichteten aber auch nicht darauf, den schon Geschlagenen noch einmal zu demütigen: „Der Staatspräsident ist von seinem Gedächtnis verlassen worden“, sagte „Pik“ Botha - ein deutlicher Hinweis auf die Konsequenzen des Schlaganfalls, den er im Januar erlitten hatte.
Anschließend bemühte sich „Pik“ Botha sofort, den fernsehschauenden WählerInnen den neuen NP-Führer und ab gestern amtierenden Staatspräsidenten de Klerk schmackhaft zu machen. „Wir vertrauen ihm vollkommen, seiner Toleranz und seinem Mut“, sagte der Außenminister. „Auch die Würde, den Anstand und den tiefen christlichen Glauben, den er (im Umgang mit P.W. Botha) gezeigt hat, wissen wir zu schätzen.“ Die Botschaft an das Wahlvolk: Alles in Ordnung.
Doch wer genauer hinsah, wußte, daß für die Regierungspartei nichts in Ordnung ist. „Pik“ Botha und de Klerk waren nervös und angespannt. Mal saßen sie auf ihren Händen, dann wieder hielten sie sie zwischen den Beinen versteckt. De Klerk hatte den Kopf eingezogen und scheute sich sichtlich vor den Kameras. Die Ereignisse der letzten Tage haben der Nationalen Partei drei Wochen vor den Parlamentswahlen am 6. September zweifellos schwer geschadet.
Zudem ging es bei dem überstürzten Wechsel im Präsidentenamt um ein besonders heikles Thema: Streitpunkt im Botha-Kabinett war die Frage von Verhandlungen zwischen der Regierung und dem ANC. Den Anlaß für die schließlich öffentlich geführte Auseinandersetzung bildete das für den 28.August geplante Treffen zwischen de Klerk und dem sambischen Präsidenten Kenneth Kaunda. „Der ANC wird von Präsident Kaunda geschützt“, sagte P.W. Botha, zählte lang und breit auf, welche Einrichtungen der Afrikanische Nationalkongreß in der sambischen Hauptstadt Lusaka besitzt, um dann zu schlußfolgern: „Ich halte es nicht für angebracht, Präsident Kaunda zu diesem Zeitpunkt zu treffen.“
Der Noch-Präsident suggerierte darüber hinaus, Kaunda wolle Südafrika vorschreiben, auf welchem Wege Kontakte mit dem ANC am besten zustande zu bringen seien. Tatsächlich haben der ANC und afrikanische Staaten sich in den letzten Monaten bemüht, eine einheitliche Position zu möglichen Verhandlungen mit der Apartheidregierung zu entwickeln. Der ANC hatte dieses Ziel schon im Juni formuliert (siehe Dokumentation auf Seite 8). Die Organisation legte ihre Pläne dann Anfang des Monats bei einem Gipfeltreffen der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) und auf einem Treffen der Frontstaaten letzte Woche vor. Es wird erwartet, daß Kaunda bei seinen Gesprächen mit de Klerk die Position des ANC genauer vorstellen wird.
Kontakte mit dem ANC?
Innerhalb der NP besteht jedoch keineswegs Einigkeit darüber, ob und wie mit dem ANC Kontakte aufgenommen werden sollen. In seinen Wahlkampfreden hat de Klerk wiederholt betont, daß die Regierung nicht mit einer „terroristischen Organisation“ sprechen wird. Als Vorbedingung gilt nach wie vor, daß der ANC den bewaffneten Kampf aufgibt, bevor er sich überhaupt an Verhandlungen beteiligen darf.
De Klerk hält zudem daran fest, die Zukunft Südafrikas auf der Grundlage von nach Rassen definierten „Gruppen“ zu beschreiben. Keine „Gruppe“ soll die anderen beherrschen können - die Weißen hätten also weiter effektiv ein Veto, behielten die letzte Kontrolle in ihrer Hand.
Die Widersprüche und Undeutlichkeiten in der NP-Politik haben sich schon im Wahlkampf gezeigt. „Neuer Führer, neue Dynamik“, verkünden die Plakate mit einem Foto des schmunzelnden de Klerk. Doch in Wirklichkeit hat es die Partei nicht geschafft, das Wahlvolk von dieser „Dynamik“ zu überzeugen. Statt dessen ist die Kampagne der Partei mit dem meisten Geld und den traditionell treuesten Anhängern bisher eher farblos und langweilig verlaufen. „Pik“ Bothas Versuch, die Situation nach dem Rausschmiß von P.W. Botha als den „Beginn einer neuen Ära“ darzustellen, wirkt da eher hilflos.
Auch die traditionelle Strategie, den ANC als roten Buhmann darzustellen und die liberalen Oppositionsparteien als Freunde der Revoluzzer zu diffamieren, zieht nicht mehr so richtig. Denn wenn P.W. Botha, dem niemand vorwerfen kann, ein ANC-Freund zu sein, mit Nelson Mandela Tee trinkt; wenn ganz eindeutig Gespräche über Verhandlungen mit dem ANC anvisiert werden, dann kann diese Organisation so unberührbar doch gar nicht sein.
Vor allem die ultrarechte Konservative Partei (CP) kann nach diesen Verwirrungen mit Stimmengewinnen rechnen. „Im Gegensatz zu P.W. Bothas negativer Einstellung zu Gesprächen mit Präsident Kaunda und damit indirekt auch mit dem ANC, führt Herr de Klerk das Land in Unsicherheit und bewegt sich stark nach links“, kommentierte CP-Führer Andries Treurnicht am Montag abend. Die CP bietet indessen die Sicherheit des Bewährten: Apartheid im alten Stil, „Selbstbestimmung der Weißen“ und keine Selbstzweifel.
Die liberale Demokratische Partei (DP) betont ihrerseits die Zurückhaltung, mit der de Klerk und seine Partei über Verhandlungen reden. „Es ist deutlich, daß es in der NP scharfe Differenzen über die entscheidenden Fragen der Verfassung und von Verhandlungen gibt“, heißt es in einer Erklärung von Montag abend. „Das bedeutet ein deutliches Problem der Glaubwürdigkeit für die NP-Führung.“ Dem stellt die DP ihre Bereitschaft zu sofortigen Verhandlungen mit dem ANC und anderen gegenüber.
Sowohl DP als auch CP hatten bisher eher sehnsüchtig denn zuversichtlich über die Möglichkeit nachgedacht, daß die NP in dieser Wahl ihre absolute Mehrheit im Parlament verlieren und zu einer Koalition gezwungen werden könnte. Dieses Ziel ist nach dem Streit in der NP in greifbare Nähe gerückt. Das würde zu dramatischen Veränderungen in der südafrikanischen Regierungspolitik führen.
Die Koalitionsfrage
Dann wäre für die NP endgültig der Tag der Richtungsentscheidung - der Wahl eines Koalitionspartners gekommen. Im selben Bett mit der CP würde jede Bestrebung, weitere Reformen der Apartheid oder gar Verhandlungen mit der Opposition zu versuchen, zum Zusammenbruch der Regierung führen. Die DP würde andererseits als Preis für ihre Zusammenarbeit die Aufnahme von Verhandlungen fordern.
Über die Möglichkeit einer Koalition wollen NP-Vertreter zur Zeit aber lieber nicht sprechen. Man möchte nicht schon vor der Wahl klein beigeben. Die CP will ihrerseits gar keine Koalition. Sie hofft statt dessen im Falle des Verlustes der NP-Mehrheit auf eine Spaltung in der Partei, bei der genug NP-Abgeordnete zur CP überlaufen würden, um ihr die Mehrheit zu geben.
Am meisten hofft die DP auf den Verlust der NP-Mehrheit. Sie hat keine Hoffnung, die CP als größte Oppositionspartei im Parlament zu Überholen und damit den Status der „offiziellen Opposition“ zu gewinnen. So haben die Liberalen nur in einer Koalition mit der NP Aussichten, direkten Einfluß auf die politische Entwicklung zu nehmen. Die DP hat jedoch klargemacht, daß eine solche Koalition lediglich Übergangscharakter haben dürfe. Sie würde Verhandlungen führen, um dann demokratische Wahlen aller Südafrikaner zu veranstalten. Dies wiederum würde die NP mit allen Mitteln zu verhindern versuchen. Denn die Macht an eine von der schwarzen Mehrheit gewählte Regierung abzugeben - das schließen alle NP-Mitglieder, selbst die reformwilligsten, vollkommen aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen