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Susi Pops Rosa Schönfärbereien

■ Übermalte Statistiken in der Galerie Zwinger

Daß die Ansicht einer Fabrik wenig über die in ihr waltenden Machtverhältnisse aussagt, (eher etwas über die Art ihrer Selbstdarstellung) ist seit Brechts Zeiten bekannt. Zu einem Mittel der Darstellung, das unter die Oberfläche dringen will, wurden Statistiken und ihre grafische Umsetzung: Geldachse kreuzt Zeitachse, und eine Kurve zeichnet die Gewinne. Aus dem Stammbaum, der früher die Genealogie einer Familie ins gleichsam botanische Bild preßte, wurde das Modell für die Darstellung der Verflechtung von Konzernen. Doch dringt man wirklich in die innere Realität ein?

Für Susi Pop bleiben auch die grafischen Schaubilder eine beliebige Oberfläche, die sie zum Anlaß ihrer Malerei in Pink nimmt. Die Vorlagen für „Die Rüstungsfamilie“ über Beziehungen zwischen Daimler-Benz und Messerschmidt-Bölkow -Blohm oder für „Vernascht“ über die Milliardengewinne der elf größten Nahrungs- und Genußmittelhersteller nach der Übernahme von Kraft durch Philipp Morris entnahm sie dem 'Spiegel‘. Doch ihr Bezug auf die aktuelle Wirtschaftspolitik simuliert nur einen Realitätsbezug der Malerei. Wirklich bleiben nur pinkfarbene Leinwände. Diese Originalgemälde beruhen auf einer vielfach reproduzierten Vorlage und kehren damit den üblichen Prozeß um.

Susi Pop intendiert weder Aufklärung noch Kritik. Für ihre kommentarlose Übernahme der Statistiken über die Unternehmen der Weltwirtschaft spielen zweifelsohne ihre eigenen unternehmerischen Absichten eine Rolle. Denn Susi Pop agiert anonym und kollektiv. Keine haftbare Person ist hinter ihren Aktionen greifbar; für die originalen Kunstwerke zeichnet kein Künstler als Individuum verantwortlich. „Susi Pop“ fungiert als Sammelpool für Kunstkonzepte, als expandierende Aktiengesellschaft für ein Unternehmen „Gesamtkunstwerk“. Susi Pop ist ein fake, an dem viele mitproduzierten, die Ideen lieferten, Bilder malten, Osterhasen und andere industriell vorgefertigte Objekte in gefärbtem Gips nachgossen. Doch alles, was von Susi Pop kommt, wird nicht nur durch das äußerliche Markenzeichen der Farbe Pink zusammengehalten, sondern zugleich durch seinen Bezug auf den Warencharakter der Kunst, der zum Kunstcharakter jeder Ware uminterpretiert wird.

Der Versuch, „Susi Pop“ als Firmennamen beim Patentamt eintragen zu lassen, scheiterte am Einspruch zweier „Susi-X“ -Firmen, Hersteller von Glückwunschkarten und Schmuckbändern, die Namensverwechselungen und Imageverlust fürchteten. Verhandlungen mit einer Supermarktkette mit dem Ziel, no-name-Produkte vom Butterbrotpapier bis zum Zwiebelpulver als Susi-Pop-Produkte zu verkaufen, verliefen ergebnislos: Angeblich war der zusätzliche Arbeitsaufwand durch die geforderte Verpackung in Pink zu kostenintensiv. Die endgültige Überführung der Kunst in Ware wäre im Susi -Pop-Katzenfutter vollkommen gewesen. Sich jetzt an den Schaubildern über die die Weltwirtschaft beherrschenden Konzerne abzuarbeiten, ist ein schwacher Trost für den Ausfall der eigenen Produktlinie.

Susi Pops Kunstgriffe streben nicht die Veränderung vorhandener Strukturen an, sondern deren Nutzung. Dieses Projekt will ein Chamäleon sein, das sich der schon vorhandenen Welt der Waren perfekt anpaßt und sie im pinkfarbenen Schein als Gesamtkunstwerk aufglühen läßt. Dabei begnügt sie sich mit der Besetzung der sich ständig vervielfältigenden Oberflächen, ohne die Inhalte anzutasten.

Selbstverständlich muß sich Susi Pop in diesem Zusammenhang auch mit Finanzierungsmodellen zur Kunstproduktion befassen. Dabei wird der gute alte Porträtauftrag, traditionelle Kunstware, keineswegs verschmäht: Für das pink beauty project werden noch Finanziererinnen gesucht, die das gute Dutzend (traditionelle Handelsmenge) vervollständigen. Die pink beauty erhält ihr Siebdruckporträt auf Leinwand; eine zweite Leinwandversion verbleibt als Original bei Susi Pop, und zehn Drucke auf Papier werden zum Verkauf angeboten (Gewinnbeteiligung winkt der beauty). Doch liefert Susi Pop keinen repräsentativen Ersatz für den Anachronismus des Porträtauftrags, jenem Relikt feudaler und großbürgerlicher Kunst. Die Gesichtszüge des Modells nämlich werden übermalt; die Identität verliert sich unter der pinkfarbenen Oberfläche, die somit Subjekte und Objekte gleichermaßen demokratisch und Differenzen nivellierend zudeckt. Alles wird austauschbar.

Katrin Bettina Müller

Susi Pop, „charts“, bis 2.September in der Galerie Zwinger, Mi-Fr 15-19Uhr, Sa 11-14Uhr

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