: Chinas UNO-Vertreter verläßt den Saal
■ Eklat vor der UNO in Genf nach dem Auftritt eines chinesischen Studentenführers
Genf (taz) - Zu einem Eklat führte der Auftritt des chinesischen Studentenführers Li Lu am Mittwoch abend vor der UNO in Genf. Als Li Lu vor einem Unterausschuß der UNO -Menschenrechtskommission eine Schilderung der Pekinger Massaker vom 3./4.Juni und der Ereignisse seitdem gab, beschimpfte der offizielle Vertreter Chinas Zhang Yishan den 23jährigen Studenten als „einen der führenden Organisatoren der konterrevolutionären Rebellion“ und verließ den Saal. Der Ausschuß habe „einem Kriminellen zugehört, der Gerüchte über einen UNO-Mitgliedsstaat verbreitet, dessen Sicherheitsorgane nach ihm fahnden“. Li Lu steht auf der „Liste der 21“ und war stellvertretender Vorsitzender des Hungerstreikkomitees der Studentenbewegung wie der Organisationsleitung des Tiananmen. Auf „bis zu 120.000“ bezifferte Li Lu die Summe derjenigen, die seit den Massakern „verhaftet und heimlich exekutiert“ wurden. Er berief sich auf „zahlreiche Berichte aus der Bevölkerung Chinas“, in der die Bewegung „über zehn Millionen Unterstützer“ habe. Die 'Volkszeitung‘ berichtete gestern erneut von sieben „Aufrührern“, die bis zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt wurden.
Zu der Erklärung Henry Kissingers, in der der ehemalige US -Außenminister die Massaker als „internes Problem“ Chinas bezeichnet hatte, sagte Li Lu: „Kissinger hat sich einst um die US-chinesischen Beziehungen sehr verdient gemacht. Heute ist er ein Greis, der nicht mehr zu unterscheiden weiß zwischen der Verletzung international gültiger Menschenrechtsstandards und internen Problemen.“ Li Lu verlangte „gezielte Wirtschaftssanktionen“ sowie „Investitionen und Kapitalhilfen, die nicht über die Regierung laufen, sondern direkt privaten Betrieben zugute kommen“. Der Export von Nahrungsmitteln und Medikamenten nach China solle nicht eingeschränkt werden. Dem Ausschuß der UNO-Menschenrechtskommission liegt eine Resolution zur Abstimmung vor, in der die chinesische Führung wegen ihres bisherigen Vorgehens scharf verurteilt und aufgefordert wird, alle seit dem Massaker Verhafteten freizulassen.
Andreas Zumach
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