: K. und die Wehrflucht
■ Das Absetzen nach Berlin will überlegt und organisiert sein / Ohne Durchblick droht ein böses Erwachen / K. war leichtsinnig - Boris hat's leicht
Daß der grüne Weckdienst ihn am vergangenen Sonntag morgen um 8.25 Uhr aus den Federn holte, hat sich der Delikatessenhändler K. überwiegend selbst zuzuschreiben. Die Polizei nahm den 25jährigen Wehrflüchtling aufgrund eines Haftbefehls der Bielefelder Staatsanwaltschaft mit auf die Wache: Abwesenheit von der Truppe. Nach drei Stunden durfte er wieder gehen. Die Überprüfung der Polizei ergab, daß er bereits vor seinem Einberufungsbefehl seinen ersten Wohnsitz in Berlin genommen hatte. Auch die Bielefelder Kripo erteilte Absolution, und K. kehrte in die Bettstatt zurück. Wie kam es zum sonntäglichen Hin und Her? 1984 hatte K. den ersten Einberufungsbefehl erhalten. Da war er, ganz schlau, schon seit fast einem Jahr in Berlin gemeldet, allerdings mit dem entscheidenden Fehler, einen zweiten Wohnsitz in Westdeutschland behalten zu haben. Das Kreiswehrersatzamt erwischte ihn in seinem Ausbildungsbetrieb. K. quittierte. Fehler Nummer zwo. Sodann ließ er sich, weil er das Abitur nachholen wollte, bis Mitte 88 zurückstellen. Was auch genehmigt wurde. Er ging in Westdeutschland zur Schule, jobbte in Berlin. Im Juli 88 erreichte ihn Einberufungsbefehl Nummer zwei im Sekretariat seiner Schule. K. nahm das Ding an (Fehler Nummer drei) und schaffte es, sich noch mal bis zum 31.12.88 zurückstellen zu lassen. Daß er jetzt verhaftet wurde, hat K., so sieht es der in Wehrpflichtsachen versierte Totalverweigerer Gerhard Scherer, zwei Dingen zu verdanken: Er machte Berlin nicht zu seinem alleinigen Wohnsitz, und er hatte den Behörden nicht angekündigt, daß er den Wehrpflichtraum verließ. Scherer rät K. nun das sofortige Konsultieren eines Rechtsanwalts oder von Beratern der DFGVK an. Die sollen K. endlich Durchblick verschaffen. Das dürfte schwierig werden, denn K., der am Telefon heftigst mit seinen Papieren raschelt, fällt es schon schwer, sich daran zu erinnern, wann er denn nun genau die erste Einberufung erhielt. Moral von der Geschichte: Wer nicht Boris Becker heißt, muß wenigstens aufpassen.
kotte
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen