: „Grand Hotel Abgrund“ bittet zu Tisch
■ Hessischer Rundfunk startet Reihe zur „Frankfurter Schule“
Es geht die Geschichte, daß Max Horkheimer, der Direktor des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, zu Anfang der 50er Jahre einmal einen hohen amerikanischen Beamten derart in einem Gespräch durch sein Charisma und seine Weltläufigkeit beeindruckte, daß dieser sich die Schriften des Philosophen erbat. Horkheimer, generös wie er nun einmal war, bot alle an. Der besorgte Amerikaner schickte, in der Gewißheit, daß ein PKW womöglich nicht ausreichen könnte, ein größeres Fahrzeug zum Institut. Dort nahm der Fahrer sämtliche Schriften in Empfang - ein Päckchen, das in einer Aktentasche Platz gefunden hätte.
Diese Geschichte, die die Differenz von Werk und Wirkung der Kritischen Theorie demonstriert, hat nun aber heute keine Gültigkeit mehr, ist doch nach einer Phase der Müdigkeit an solcherart kulturkritischem Denken, nicht zuletzt auch über die Rezeption von Habermas‘ Texten in Amerika, die Flut an erklärender und ergänzender Literatur, die sich auf die Philosophie der „Frankfurter“ bezieht, ungeheuer gestiegen.
Eine siebenteilige Sendereihe des Hessischen Rundfunks versucht nun diesem gewachsenen Interesse Rechnung zu tragen. Den Auftakt bildet heute eine neue Produktion von Nikolaus Westphal, der eine wenig bekannte Seite Theodor W.Adornos ausleuchtet (In erster Linie Komponist um 21.50 Uhr). Teils unveröffentlichte Dokumente, eine musikalische Uraufführung fürs Fernsehen sowie Stellungnahmem zeitgenössicher Musiker und Komponisten belegen die Wirkung Adornos auf die Musik. Zu einer Begegnung mit dem letzten noch lebenden Vertreter des engeren Kreises der Frankfurter Schule kommt es am 27. August (22.45 Uhr), wenn Tilman Jens mit dem Literaturtheoretiker Leo Löwenthal spricht. Während Löwenthal erst in den letzten Jahren das Interesse der Öffentlichkeit fand, war Herbert Marcuse bereits zur Zeit der Studentenrevolte, unter anderem auch durch sein Buch Der eindimensionale Mensch, zur Symbolfigur des jugendlichen Aufbruchs geworden (Ulrich Wickert am 29.8., 21.55 Uhr).
Am 31. August macht sich Kirsten G., eine junge Frankfurter Studentin, in einem Film von Henning Burk und Martin Lüdke, der eigens für die Reihe produziert wurde, auf die Suche nach dem Denken dieser philosophischen Schule in der Gegenwart (Es gibt kein wahres Leben im falschen, 21.45 Uhr).
Max Horkheimer wird von Hellmuth Karasek und Kurt Zimmermann porträtiert (5.9., 21.50 Uhr) und Henning Burk macht sich am 7.9. an die Dialektik der Aufklärung, das bereits 1947 in Amsterdam herausgegeben Buch Horkheimers/Adornos, das erst mit und durch die Revolte von '68 zu einem Kultbuch der Bewegung werden sollte.
Den krönenden Abschluß dieser anspruchsvollen Reihe bildet dann am 9. Juli (21.40 Uhr) eine Talkshow, die mit Geschichten wie der obigen, die Geschichte dieser philosophischen Schule vergegenwärtigen will. Eingeladen sind: Ludwig von Friedeburg, Alfred Schmidt, Micha Brumlik und Alfred Edel. Leider hat Jürgen Habermas eine Einladung zu dieser Sendung abgelehnt.
Ks.
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